Gemeinsam mit Experten aus EU-Ländern hat eine Delegation der Regionalversammlung in Brüssel die Zukunft der europäischen Automobilindustrie und des Standorts Region Stuttgart diskutiert. “Es geht um den Wandel unserer Region vom Automobil- zum Mobilitätsstandort”, erklärte der Vorsitzende des Verbands Region Stuttgart, Thomas S. Bopp, bei seiner einführenden Rede. Die Branche stehe vor einer Zeitenwende, durch die Digitalisierung änderten sich Technologien, Märkte und Geschäftsmodelle ebenso wie die Arbeitswelt. Durch die Internationale Bauausstellung 2027 könnten neue Mobilitätskonzepte entstehen, sagte Bopp.
Dr. Walter Rogg, Geschäftsführer der Wirtschaftsförderung Region Stuttgart GmbH (WRS) verwies auf den anhaltenden Erfolg der Automobilbranche in der Region mit Rekordzahlen bei Daimler und Porsche, warnte aber angesichts des rasanten Strukturwandels vor Selbstgefälligkeit: “Wir bewegen uns auf sehr dünnem Eis”, sagte er und lobte die Aktivitäten der baden-württembergischen Landesregierung mit dem Strategiedialog des Ministerpräsidenten und dem Transformationsrat, den die Wirtschaftsministerin ins Leben gerufen hat. “Wir brauchen ein konzertiertes Vorgehen, um den Weg in die Zukunft zu gehen”, betonte er und forderte eine stärkere europäische Industriepolitik, damit die Unternehmen im globalen Wettbewerb Zeit und Kosten sparen.
Claire Depré, Vertreterin der EU-Kommission sagte, es gehe nicht nur um die Industrie, sondern auch um die Lebensqualität. Der Übergang in nachhaltige und emissionsfreie Mobilität müsse beschleunigt werden. Dafür müssten die Europäer enger zusammenarbeiten und könnten dabei auch von den Aktivitäten in Stuttgart lernen. “Vielleicht machen wir ein bisschen viel vom Gleichen in Europa”, meinte sie.
Für die Unternehmen schilderte Dr. Steffen Nolte von der EU-Konzernrepräsentanz der Daimler AG die Problemkonstellation: Der Strukturwandel lasse neue Geschäftsmodelle und neue Marktteilnehmer entstehen. Bei den alternativen Antrieben sei noch nicht entschieden, welcher sich durchsetzen wird. “Wir müssen im Moment auf viele Pferde setzen, und wir wissen nicht, wer das Rennen macht.” Zudem sei unbekannt, ob durch das Car-Sharing die Anzahl der Fahrzeuge sinken werde. Am stärksten aber sei die Region Stuttgart durch die aufkommende Elektromobilität betroffen, weil die Wertschöpfung dieser Fahrzeuge weit geringer ausfalle. Von der Politik erwartet er als Unternehmensvertreter den Ausbau einer “intelligenten Infrastruktur”. Dazu zählt er etwa einen Breitbandausbau im 5G-Standard für Verkehrsanwendungen, Rahmenbedingungen, die den Ausbau von Schnellladestationen begünstigen, sowie neue Arbeitsplatzprofile. Die Region Stuttgart solle stärker um die Ansiedlung von IT-Firmen werben, damit sich diese intelligent mit der Industrie vernetzen. Auch seien ausreichend Gewerbeflächen notwendig.
Eine bessere Zusammenarbeit der europäischen Exzellenzregionen regte Dr. Ronald Rödl, Leiter des Steiermark-Büros in Brüssel, an. Die Region in Südösterreich setze auf eine “Politik der runden Tisches” und auf privat-öffentliche Partnerschaften. Die Position als führende Forschungsregion in Österreich solle ausgebaut werden, etwa mithilfe eines Testgebiets für autonomes Fahren.
Prof. Thomas Röhr, Repräsentant der französischen Region Burgund-Franche-Comté, sieht die Mobilität in einem großen Umbruch. Das eigene Auto werde unwichtiger, ins Zentrum gerate zunehmend die Information darüber, wie man von A nach B komme. Mit Projekten zu Infrastruktur und Kommunikation, Energie und Antriebssystemen sowie Mobilitätsdienstleistungen versucht die Region, den Strukturwandel zu meistern. Um die Wettbewerbsfähigkeit der ansässigen Unternehmen zu stärken, sei die Politik um Planungssicherheit für die Firmen bemüht. Der französische Experte plädierte ebenfalls für mehr innereuropäische Kooperationen, um der Konkurrenz aus Asien und den USA zu begegnen.