Die Räume des Tonstudios Gress in Stuttgart bieten viel Platz für Klang: weite Räume, hohe Decken, Säulen als Raumteiler. Es ist bereits das fünfte Tonstudio, das Alexander und Raymond Gress eingerichtet haben. Über Zwischenstationen in Sindelfingen und Shanghai sind sie mit zwei Niederlassungen in Stuttgart und Göppingen angekommen. Hier feilen sie am perfekten Ton für Filme, Musik und Ausstellungen.
Vor fast 25 Jahren haben die Brüder das Tonstudio gegründet – anfänglich als reines Musikproduktionsstudio. Bis heute hat sich viel verändert: Ob Imagefilm für Daimler, TV-Dokumentation oder Sprachlernprogramm – inzwischen sind sie zu einem weltweit bekannten Audio-Dienstleister geworden, Projekte aus ihrem Haus haben mehr als 40 internationale Preise gewonnen. Alexander Gress arbeitet hauptsächlich als Sounddesigner für Filme und Klanginstallationen, Raymond ist Komponist und Toningenieur und viele freie Spezialisten unterstützen die beiden. Während sich die Dependance in Göppingen auf Musik spezialisiert hat, entstehen in Stuttgart hauptsächlich Klänge für Filme und Sounddesign für Messen, Veranstaltungen oder Ausstellungen.
Dabei unterscheidet man zwischen reinen Klanginstallationen und Kunstwerken, die von Musik begleitet werden. "Sie werden quasi in ein akustisches Bett hineingelegt", erklärt Raymond Gress. Ein Beispiel hierfür ist der Siegerpokal der Fußballweltmeisterschaft 2006, der während des Turniers im Stuttgarter Kunstmuseum ausgestellt war. Die Trophäe stand in einem fast leeren Raum, allein von Orgelspiel und Choralgesängen umrahmt. Der Pokal wurde dadurch zu einem ehrwürdigen, fast sakralen Gegenstand". "Die Wirkung von Musik wird oft unterschätzt", erklärt Gress. Das kommt nicht von ungefähr: George Lucas, der Regisseur von Star Wars, soll einmal gesagt haben, dass der Ton 50 Prozent des Filmerlebnisses ausmache.
Eine besondere Ecke des Tonstudios in der Stuttgarter Hallstraße ist die sogenannte Spielwiese, wo akustische Illusionen geschaffen werden. Hier liegen Backsteine, Kabelbündel, Werkzeugkisten und Hölzer auf blankem Boden scheinbar wahllos durcheinander. "Das ist kein Müll", lacht Raymond Gress, "hier entstehen unsere Geräusche." Mit geschlossenen Augen hört man die Schritte eines Esels, der durch den Grand Canyon stapft und sich auf raschelndes Heu legt, während ein Cowboy an einer Zigarette zieht. Öffnet man die Augen wieder, verpufft das Trugbild: Die Sandwüste entpuppt sich als Betonplatte mit Kieselsteinen, das Heu als ein Knäuel Magnetbänder ausrangierter Musikkassetten und das Zigarettenknistern ist in Wirklichkeit eine Prise Sand, die auf dem Handballen verrieben wird.
"Das Original klingt meist nicht so gut", erklärt Gress. Um den Hörgewohnheiten zu entsprechen, braucht es deshalb überzogene, künstlich hergestellte Geräusche. "So klingt die Wirklichkeit zwar oft nicht, aber so sind wir sie gewohnt", sagt der Sounddesigner, der schon zahlreiche Dokumentationen hörbar gemacht hat, beispielsweise für die WDR-Reihe "Abenteuer Erde". Speziell bei Tierdokumentationen sind fast alle Geräusche postproduziert, also im Nachhinein erstellt.
Um klar zu hören, sind sämtliche Böden, Decken und Wände in den Sprecherkabinen des Tonstudios entkoppelt – so übertragen sich die wenigsten störenden Nebengeräusche. Im Freien ist völlige Ruhe dagegen unmöglich. Auf der Suche nach einem absolut stillen Ort haben die Brüder schon nächtelang in einem Waldstück auf der Schwäbischen Alb verbracht, um für ein Hörspiel eine Jeep-Safari originalgetreu nachzustellen.
Das Tonstudio Gress vertont hauptsächlich Kino-, Fernseh- und Unternehmensfilme – von der Bearbeitung des Originals über die Musik bis hin zu Synchronfassungen in sämtlichen Weltsprachen und war daher ein ideales Ziel für eines der regelmäßig stattfindenden Werkstattgespräche der Film Commission Region Stuttgart. Pünktlich zur Premiere ihres jüngst vertonten Films "The Big Black"von Oliver Kyrs, der auf der Filmschau Baden-Württemberg in Stuttgart ief, durften 28 Produzenten, Autoren und Studenten aus der Filmbranche den Gress-Brüdern über die Schulter schauen.
Bei der Vertonung von Filmen kommt es nicht nur darauf an, das richtige Geräusch zu erzeugen, sondern es auch zum richtigen Zeitpunkt einzusetzen. Millisekunden sind hierfür entscheidend. Rund 100 Tonspuren laufen neben den Bildern – sie erzeugen Atmosphäre. Fehlen plötzlich Windrauschen, Schritte, Stimmen und Musik, wirkt der Film unfertig und leblos. Auch hier gilt das Motto "Viel hilft viel." Eine große Auswahl an Klängen zur Verfügung zu haben, ist die Grundlage ihrer täglichen Arbeit, daher pflegen die Brüder ein Archiv: "Geräusche werden auch alt", sagt er. "Eine Straße aus dem Jahr 1970 klingt ganz anders als heute."