Spätestens seit im November 2014 zum ersten Mal in der Geschichte der Raumfahrt eine Landung auf einem Kometen gelang, ist die Firma Faulhaber aus Schönaich über die Fachwelt hinaus bekannt. In dem Landeroboter mit dem Namen Philae waren insgesamt 14 verschiedene Antriebssysteme des Unternehmens eingebaut. Sie trotzten den harschen Bedingungen im Vakuum bei Tiefsttemperaturen und reisten mehr als 500 Millionen Kilometer durch die Tiefen des Alls.
Es fügt sich ins Bild, dass die Dr. Fritz Faulhaber GmbH im vergangenen Jahr zu den Top-Innovatoren in Deutschland gewählt wurde.
Die Ingenieure des Unternehmens entwickeln ständig Lösungen für außergewöhnliche Anforderungen. Die Spezialität des Familienunternehmens sind Motoren in kleinsten Abmessungen. „Faulhaber bietet das größte Portfolio an innovativer Miniatur- und Mikroantriebstechnologie, das weltweit aus einer Hand verfügbar ist“, sagt Marketingleiter Andreas Seegen. „Sowohl unsere Kunden als auch wir selbst stellen hohe Ansprüche an uns, eine noch höhere Stufe der Miniaturisierung, der Genauigkeit und des Leistung-Volumen-Verhältnisses zu realisieren“, berichtet Reiner Bessey, der Bereichsleiter Entwicklung, Plattformen und Technologie. Neuentwicklungen laufen über exakt strukturierte Prozesse. „Dabei vernetzt sich ein dezentrales Innovationsmanagement mit Fachabteilungen und der zentralen Vorentwicklung.” Ein Baustein dabei ist das sogenannte Solution-Screening. Hierbei werden Produkte benachbarter Branchen quasi „seziert“, weil Faulhaber davon ausgeht, dass attraktive Technologien oft nicht wirklich neu sind, sondern nur neu für die entsprechende Branche oder eine bestimmte Größenordnung von Produkten.
Vom Scheibenwischer bis zum Photoscanner
Die Anwendungsmöglichkeiten von Kleinstantrieben sind nahezu unbegrenzt und erstrecken sich auf unterschiedlichste Branchen. So dosiert ein von Faulhaber konstruierter Kleinstantrieb Flüssigkeiten bis auf 0,001Milliliter genau. Luftaufnahmen, die Vermessungszwecken dienen, werden immer noch klassisch produziert. Ein Photoscanner überträgt das Filmmaterial von riesigen Rollen in eine digitale Datei. Bei der Digitalisierung werden Genauigkeiten und Auflösungen im Mikrometerbereich gefordert. Gleichzeitig müssen große Massen – die Filmrollen haben teilweise eine Länge von bis zu 150m und wiegen um die fünf Kilogramm – beschleunigt werden. Das stellt nicht nur hohe Ansprüche an die Optik; auch die eingesetzten Antriebe müssen stabil laufen, damit nichts verwackelt. Auch bei Scheibenwischern vertrauen andere Unternehmen auf Faulhaber-Motoren. Allerdings geht es hierbei nicht ums Auto, sondern um die freie Sicht in den Hexenkessel von Reaktoren, wo biotechnologische oder chemische Prozesse ablaufen. Oft stehen die Kessel in explosionsgefährdeten Bereichen, so dass die Scheibenwischer druckfest verkapselt sein müssen und beim Betrieb kein Funke nach außen dringt.
Dass Faulhaber in der Luft- und Raumfahrt bestens zu Hause ist, hat die Landung auf dem Kometen gezeigt. Die Antriebe sind zudem daran beteiligt, wenn Wissenschaftler per Großteleskop den Sternen auf die Pelle rücken. Sie sorgen für eine gezielte Justierung der Optik, um Materialabweichung, Schwerkraftdeformation oder Brechungsschwankungen der Atmosphäre zu minimieren. Gefragt sind dabei kleinste Antriebe mit spielfreiem Getriebe und höchster Zuverlässigkeit – auch über Jahre hinweg. Die Mini-Motoren steuern bis zu 4.000 Glasfasern, um das aufwendig gesammelte Licht im Teleskop auf möglichst kleiner Fläche und mit hoher Leuchtdichte auszuwerten, um auch kleinste, leuchtschwache Objekte zu erkennen. Hierbei kommen sogenannte Schrittmotoren zum Einsatz. Mit ihnen lassen sich Teile fließend in jede gewünschte Bewegung drehen. „Dank jahrzehntelang gesammeltem Know-how im Kleinstantriebsbau und noch längerer Erfahrung in der Uhrwerksfertigung sind spielfreie Präzisionsantriebe im Miniaturformat ein Markenzeichen von Faulhaber”, sagt Andreas Seegen.
Eine Kamera als Auslöser des Erfolgs
Die Erfolgsgeschichte des Unternehmens begann 1947 in Murrhardt. Die „Dr. Fritz Faulhaber Feinmechanische Werkstätten“ widmeten sich zunächst der Herstellung von Elektrogeräten und Sicherheitsschlössern. Bereits zwei Jahre später wurde die Produktionsstätte nach Schönaich verlegt. Zum Leistungsportfolio des noch jungen Unternehmens zählten damals die Herstellung von Maschinen für die lederverarbeitende Industrie, sowie Dreh-, Schleif- und Fräsarbeiten. Anfangs waren die Mittel so knapp, dass der junge Unternehmensgründer Rückseiten von Kalenderblättern, Packpapier und alte Kartons nutzte, um darauf seine Entwicklungen zu zeichnen. Den Grundstein für die Erfolgsgeschichte des Unternehmens legte er elf Jahre später, als er eine schräg gewickelte Spule zum Patent anmeldete, die keinen Eisenkern hat. Mit dieser neuen Technik, dem sogenannten Glockenankermotor, konnten Elektromotoren auf minimale Maße gebracht werden und traten ihren Siegeszug in der Mess-, Steuer- und Regeltechnik an. Logischerweise fanden Faulhabermotoren, die auch als Glockenankermotoren bekannt sind, sehr schnell den Weg in die Modelleisenbahntechnik. Dort stand neben dem Erscheinungsbild zunehmend das naturgetreue Fahrverhalten im Blickpunkt.
Neben dem Stammsitz in Schönaich führt die familiengeführte, Firmengruppe weitere Entwicklungs- und Produktionsstandorte in der Schweiz, USA, Schweden, Rumänien und Ungarn. Vertriebspartner und -niederlassungen gibt es darüber hinaus in über 30 Ländern weltweit. Derzeit beschäftigt der Antriebsspezialist über 1.600 Mitarbeiter, davon 600 am Standort Schönaich. „Wir wollen technologisch immer eine Nasenlänge voraus zu sein – aber die Nase sollte nicht einen Meter lang sein,“ so beschreibt Dr. Fritz Faulhaber jun. die Philosophie seines Unternehmens mit einem Augenzwinkern.
Großes Kino auch im Auto
Selbst in modernen Türschlössern verbirgt sich Technik von Faulhaber. Während vor nicht allzu langer Zeit in weitläufigen Immobilien jede Tür vom Sicherheitsdienst einzeln bedient werden musste, bieten heutzutage elektromechanische Schließzylinder Komfort und Sicherheit. Für die kleinen Antriebe bedeutet dies eine Höchstbelastung, um zuverlässig über viele Jahre und Hunderttausende von Schließzyklen zu bestehen. Selbst Monitore im Auto profitieren von Kleinstantrieben aus Schönaich, die fast unsichtbar ihr Werk verrichten und sowohl hohe Temperaturschwankungen als auch Vibrationen aushalten müssen. Auch manch außergewöhnliches Design wäre ohne die Minimotoren nicht möglich. So arbeitete der baden-württembergische Premiumhersteller von Badarmaturen Hansgrohe mit den Schönaicher Spezialisten zusammen. Bei einem der Designwasserspender läuft das Wasser über eine Rinne, ein geräuscharmer Motor steuert Wasserzulauf und Temperatur. Kleinantriebe ermöglichen heute Anwendungslösungen, an die vor kurzer Zeit noch niemand dachte, so etwa bei Tätowierungen, die salonfähig geworden sind. In den handlichen Maschinen, die für Tattoos, aber auch Permanent-Make-up zum Einsatz kommen, sitzen DC-Kleinstmotoren aus Schönaich. Das geringe Eigengewicht und die Flexibilität passen sich dem individuellen Arbeitsablauf ideal an.
Kleinstmotoren im Dienst der Chirurgie
In Medizin und Industrie ist der Trend zum Arbeiten an immer kleineren Objekten unverkennbar. Auch in diesen Bereichen ist Faulhaber zu Hause und revolutioniert die Arbeit von Chirurgen oder Dentaltechnikern. Weil es dem menschlichen Auge nur unter hoher Anstrengung gelingt, kleinste Strukturen aufzulösen, setzt ein am Kopf getragenes Mikroskop, das wie eine Brille getragen wird, neue Maßstäbe. Kleinste Schrittmotoren steuern Vergrößerung und Schärfe für jedes Auge. Ein 3-D-Blick erlaubt ermüdungsfreie Operationen an kleinsten Gefäßen ebenso wie die Untersuchung oder die Montage von Mikrostrukturen.
Die neueste Serie von Faulhaber bietet einen Schrittmotor in minimalster Baugröße. Er steckt in einem Gehäuse, das etwas kleiner als ein Stückchen Schokolade ist und auf 9,7 mm Länge und 6 mm Durchmesser sämtliche Komponenten, einschließlich der Anschlüsse unterbringt. Damit setzt dieser Motor neue Maßstäbe im Bereich kompakter Antriebssysteme. „Mit dieser Kombination aus minimalem Platzbedarf und maximaler Leistung, Zuverlässigkeit und Produktions-qualität setzen wir unseren Erfolg auf dem Gebiet miniaturisierter Antriebe fort“, erklärt Andreas Seegen.