Auf der Wiese vor dem Firmengebäude stehen zwei Schafe. Ernie und Bertha nennen sie die Mitarbeiter. Die beiden sind für das Rasenmähen zuständig. „Der Hang vor dem Gebäude ist so steil, es gab immer Probleme mit dem Mähen. Da haben wir kurzerhand die beiden Schafe eingestellt. Jetzt funktioniert’s“ sagt Thomas Speidel augenzwinkernd. Speidel ist Geschäftsführer von Ads-Tec, dem Arbeitgeber von Ernie und Bertha und rund 240 menschlichen Angestellten. Etwa 180 von ihnen arbeiten am Firmensitz in Nürtingen.
Energie tanken
Ads-Tec stellt Industrie-Computer und Batterie-Speichersysteme her. Die Batterie-Speichersysteme sind wegen der immer stärkeren Verbreitung alternativer Antriebe ein brandaktueller Produktbereich: „Wir haben in Deutschland genug Energie, um zum Beispiel den jetzt anstehenden Wandel hin zur E-Mobilität zu stemmen. Das Problem ist nur, die vorhandene Energie ist zur falschen Zeit am falschen Ort“, erklärt Speidel. Die Energie müsse intelligent verteilt werden, um zum Beispiel an Ladestationen schnell auf sie zugreifen zu können. An dieser Entwicklung arbeitet Ads-Tec. Die Firma stellt skalierbare Lithium-Ionen-Batteriesysteme bis in den Megawattstundenbereich her – und produziert damit Marktführertechnologie. „Gerade beim Aufladen von E-Autos ist es doch so: Man will möglichst schnell möglichst viel Energie tanken. Das geht aber oft aufgrund der geringen Leistung der Netze nicht“ erklärt Speidel. Die Lösung: eine Art Spülkasten-Verfahren. So wie beim Spülkasten eines WCs kontinuierlich Wasser einfließt, um dann rasch auf einmal entleert zu werden, läuft stetig eine kleine Menge Energie in den Speicher. Wird sie dann benötigt, um zum Beispiel ein Auto aufzuladen, kann der Speicher die zuvor gesammelte Energie rasch in großer Menge abgeben. Jüngstes Kind dieser Technik ist das Batterie-Speichersystem „HPC-Booster“. Es wurde gemeinsam mit Porsche Engineering entwickelt und ist aufgrund seiner Leistungsfähigkeit, der extremen Komprimierung und der technologischen Umsetzung einzigartig auf dem Markt. Mit dem HPC-Booster kann ein E-Auto für mehrere hundert Kilometer Reichweite in nur wenigen Minuten geladen werden.
Computer zum Duschen
Neben den Batterie-Speichersystemen ist Ads-Tec im Bereich der industriellen IT erfolgreich. Die Firma produziert unter anderem Computer für den Einsatz im industriellen Umfeld. Diese PCs müssen praktisch allem gewachsen sein. Weder ein kräftiger Schlag mit einem Hammer, noch heftige Erschütterungen oder ein gezielter Duschstrahl können die Computer außer Gefecht setzen: „Wir verkaufen unsere PCs zum Beispiel in die Pharma- oder Lebensmittelindustrie. Hier steht Hygiene über allem. Sämtliche Geräte, auch die Computer, muss man abwaschen können“, macht Thomas Speidel klar.
Tatsächlich wahr: Der Ursprung von Ads-Tec liegt in einer Garage
Die Anfänge von Ads-Tec reichen bis 1980 zurück. Hermann Fritz und Hans-Hermann Speidel, der Vater von Thomas Speidel, produzierten in einer Garage in Ostfildern-Ruit mikroprozessorbasierte Steuerungstechnik, Schalt-schränke für die automatisierte Produktion und Datengeräte für die Fertigung. Damals nannte man sich noch „Fritz electronic“. Im Laufe der Jahre wurden die Techniken ausgefeilter, die Bauteile komplexer und die Leistung besser. Ab Ende der 1990er Jahre verdrängten die Bereiche Datentechnik, Automation und Systemtechnik die alten Tätigkeitsfelder. Aus „Fritz electronic“ wurde „Ads-Tec“, ein Akronym für Automatisierung, Daten- und Systemtechnik. Die sich ab der Jahrtausendwende immer rascher entwickelnden neuen Technologien hielten dann auch bei Ads-Tec Einzug. Aus der Datentechnik wurde eine zeitgemäße „Industrial IT“ mit industriellen PC-Systemen, Sicherheitstechnologie und Cloudservices.
2010: Alles oder nichts
Aber nicht nur im Bereich Informationstechnologie kam es bei Ads-Tec immer wieder zu Veränderungen. Im Lauf der 2000er wurde es deutlich: Die Zukunft war digital, Produkte wurden immer vernetzter und die Energieversorgung änderte sich zusehends. Alternative Mobilitätsformen wurden diskutiert und speziell die Elektromobilität benötigte die dezentrale Verteilung von Energie. Bei Ads-Tec erkannte man, dass man sich von der klassischen Maschinenbausparte würde trennen müssen, wollte die Firma weiterhin erfolgreich bleiben. 2010 vollzog das Unternehmen diesen radikalen Schritt, löste sich vom Maschinenbau und baute die Sparte „Batterie-Speichersysteme“ komplett neu auf. Die jahrelangen Erfahrungen der Mitarbeiter und erworbenes Knowhow aus anderen Projekten halfen dabei.
Der neue Aufbau der Firma verlangte auch bald eine räumliche Veränderung. 2014 zog man von Leinfelden-Echterdingen in die neu errichtete Firmenzentrale in Nürtingen. „Mir war es wichtig, meine Mitarbeiter trotz des Umzugs halten zu können“, berichtet Speidel. „Daher fiel die Entscheidung für den Neubau in Nürtingen mit dem Finger auf der Landkarte. Vor allem die gute Anbindung an die Autobahn war überzeugend. Meine Mitarbeiter sollten so rasch und entspannt wie möglich zur Arbeit und nach Hause kommen.“
„Leben & Arbeit“
Nürtingen ist der Firmensitz von Ads-Tec. Produziert wird aber in Wilsdruff bei Dresden. 2001 gründete Thomas Speidel dort zusammen mit seiner Familie und weiteren Partnern die Stiftung „Leben & Arbeit“, die Jugendliche beim Einstieg ins Berufsleben unterstützte. Das Projekt lief ausgezeichnet und für die Jugendlichen wurde nach passenden Arbeitsplätzen gesucht. „So wenige Jahre nach der Wende war das in Sachsen noch schwierig“ erzählt Speidel. „Wir haben dann verschiedene Arbeiten von Ads-Tec nach Wilsdruff ausgelagert. Das funktionierte so gut, dass wir dort 2009 unsere Fabrik eröffnen konnten.“ Rund 70 Prozent der Mitarbeiter, die heute in Wilsdruff tätig sind, wurden von der Stiftung gefördert. „Die Stiftung ist eine zu hundert Prozent gemeinnützige Einrichtung“, erklärt Speidel. „Das Unternehmen Ads-Tec spielt keine formale Rolle. Dennoch arbeiten die Stiftung und die Firma wo immer möglich und sinnvoll zusammen.“ Soziales Engagement ist Speidel wichtig, sowohl als Privatperson als auch als Chef von Ads-Tec: „Gesellschaftliche Verantwortung aller Menschen und Gruppen wird langfristig die Grundlage des Miteinanders in unserem Land sein. Das gilt es im Kleinen zu üben und dann wird es im Großen Auswirkungen haben.“