Von der “Esslinger Einmachhaut” zur Klarsichthülle

Das vor 125 Jahren gegründete Unternehmen Langheck + Co. aus Esslingen am Neckar betreibt die älteste Transparentfolienfabrik der Welt. Im Jahr 1887 war es Johannes Langheck als Erstem gelungen, Folien aus Gelatine herzustellen. Diese wurden als Verpackungsmaterialien, als Kerzenbecher oder für die Paillettenproduktion verwendet. Heute zählt Langheck + Co. – in fünfter Generation immer noch in Familienhand – zu den modernsten und leistungsfähigsten Herstellern von Folienartikeln in Deutschland. Die wichtigsten Produkte sind Werbe- und Präsentationsartikel sowie Büro- und Organisationsmittel.

Transparenthüllen begegnen uns jeden Tag, beispielsweise als Prospekt-, Ausweis- oder Schutzhülle. Als modernes Büro- und Organisationsmittel ist die Transparentfolie aus unserem Alltag nicht mehr wegzudenken. Doch die-ses unscheinbare Produkt ist bereits seit über 125 Jahre auf dem Markt. Ursprünglich wurden solche Folien nicht aus strapazierfähigen Kunststoffen hergestellt, sondern aus Gelatine, die wir heute hauptsächlich als Speisege-latine kennen.

Die Idee dazu hatte der Göppinger Johannes Langheck. Vor über 125 Jahren war es ihm gelungen, eine durchsichtige Folie herzustellen, indem er flüssige Gelatine auf Glasplatten goss und nach dem Trocknen wieder abge-zogen hat. Damit schuf er ein Material, das über fast vier Jahrzehnte konkur-renzlos war.
Mit dem neuen Material in den Händen machte er sich nun auf die Suche und an die Entwicklung von neuen Produkten. Bereits vor der Grün-dung seiner Firma Langheck + Co. im Jahr 1887 begann er mit der Herstel-lung und dem Vertrieb von Verpackungen für Tabletten und andere sensible Güter. Heute darf sich das Unternehmen, das 1890 nach Esslingen am Ne-ckar umzog, als “älteste Transparentfolienfabrik der Welt” bezeichnen. Sie ist spezialisiert auf die Herstellung von Werbe- und Präsentationsartikeln und Büro- und Organisationsmitteln – nicht aus Gelatine, sondern aus robustem, langlebigen Kunststoff. “Wenn aber Rohöl in 30 oder 40 Jahren knapp wird, können wir mühelos auf die alten Produktionsanlagen zurückgreifen und Folie wieder aus Gelatine herstellen”, sagt Andreas M. Langheck, Ururenkel des Gründers und heute gemeinsam mit seinem Vater Jürgen W. Langheck Geschäftsführender Gesellschafter. “Soweit wir wissen, sind wir weltweit das einzige Unternehmen, das diese Folien heute noch herstellen könnte.”

Mit Pailletten gegen die Inflation

Ende des 19. Jahrhunderts suchte der Unternehmensgründer Johannes Langheck ständig nach neuen Einsatzmöglichkeiten für seine Folien. Die Verpackung von Lebensmitteln spielte damals noch fast keine Rolle, da sie in der Regel in Papier eingewickelt wurden. Zunächst wurde die farblose, geschmacksneutrale, feuchtigkeitsabsorbierende und hygienische Gelatine-folie daher zur Verpackung und als Schmuck von “feinen Waren” wie Pralinen oder ähnlichem verwendet. Später wurden andere Folientypen wie Zellglas und Acetat in das Programm der Firma aufgenommen und weiterentwickelt.

Die “Esslinger Einmachhaut” diente als Schimmelschutz in Einmachgläsern und ohne das “klassische Bonbonpapier” aus Esslingen ging bald kein Bonbon mehr über die Theke. Es wurden auch Verpackungen für Seifen, Textilien, Nudeln und vieles mehr aus Gelatine und den Schwesterfolien hergestellt. “Diese Folien wurden bereits im Neubau an der Ulmer Straße produziert. Die neue Produktionsstätte eröffnete erstmals die Möglichkeit, die bis dahin auf Glasplatten gegossene Gelatine endlos zu gießen und als Rol-len auf den Markt zu bringen”, erklärt Andreas M. Langheck. “Dass wir in Zei-ten der Inflation 1925 den Neubau beziehen konnten, ist dem Erfindergeist meines Großvaters und der Mode der 1920er Jahre zu verdanken.” Die Fer-tigung der beliebten Pailletten half dem Unternehmen, dank einer selbst ent-wickelten Auffädeltechnik, der Inflation zu trotzen. Diese Erfindung kam in-sbesondere in Amerika bestens an und bescherte Langheck volle Auftrags-bücher – und “harte” Dollars.

Während des Zweiten Weltkriegs musste auf Kriegsproduktion um-gestellt werden: Tag und Nacht liefen die Maschinen, um mit Gelatine be-schichtete Folien für Gasmasken und Ferngläser zu produzieren.

Von der Gelatine zur Thermoplaste

In den 1950er Jahren startete die dritte Langheck-Generation mit der Ferti-gung von Artikeln aus Kunststofffolie. “Bis in die Mitte der 1990er Jahre hinein stellten wir noch konstant Gelatinefolie her. Diese haben wir nach wie vor auf Lager und sie wird von einigen Kunden noch nachgefragt, doch üblich sind heute Folien aus robustem langlebigem PVC, PP oder PE”, sagt Andreas M. Langheck. Neben dem breiten Standardsortiment an Büro- und Organisationsmitteln liegt der Focus auf Werbe- und Präsentationsartikeln. “Die Folien lassen wir uns liefern. In der Regel werden sie nach Rezepturen hergestellt, die von uns vorgegeben werden”, so Andreas M. Langheck, der das Familienunternehmen in der fünften Generation führt. In den historischen Fabrikhallen stehen über 50 moderne Schweiß-, Druck- und Konfektionsma-schinen, die das Rohmaterial in die gewünschte Form bringen. Ob bedruckt oder unbedruckt, ein- oder mehrfarbig mit Firmenlogo oder Prägung – jährlich verarbeiten die 30 Mitarbeiter rund 750 Tonnen Kunststofffolie zu Prospekt-, Ausweis-, Akten-, Dia- und Schutzhüllen, Einhängeschnellheftern oder Klemmmappen. Sonderanfertigungen wie Kofferanhänger, Versandtaschen, Hüllen für Bordbücher, Erste-Hilfe-Taschen, Speisekartenmappen, Taschen für Behandlungspläne oder Begleittaschen für die Industrie werden individuell nach den Vorstellungen der Kunden gestaltet.

Bei der ältesten Transparentfolienfabrik der Welt zählt vor allem Qualität

“Unserer Produkte sind allesamt aus hochwertigen Kunststoffen gefertigt und daher sehr langlebig”, sagt Andreas M. Langheck. “Wir stellen bewusst keine Massenware her. Unsere beliebteste Prospekthülle beispielsweise ist gut drei Mal so dick wie die meisten handelsüblichen Hüllen. Daher ist sie reprä-sentativer und robuster und hält deutlich länger.”

Langheck + Co. zählt heute zu den modernsten und leistungsfähigs-ten Herstellern von Folienartikeln in Deutschland. Pro Jahr verlassen circa 40 Millionen Hüllenprodukte das Esslinger Fabrikgebäude. Seit Mitte der 1980er Jahre wurden die Handarbeitsplätze konsequent durch eine automatisierte Serienfertigung ersetzt. Damit wurden die Grundlagen für eine rationelle, flexible und leistungsfähige Produktion von Sonderartikeln geschaffen. So bewältigt Langheck + Co. heute mühelos Kundenaufträge von einem Stück bis zu hohen Millionenauflagen. Zu den Kunden zählt der Deutsche Imkerbund ebenso wie die Daimler AG. Der Stuttgarter Verkehrs- und Tarif-verbund VVS lässt seine Ausweishüllen ebenso bei Langheck + Co. fertigen wie Lebensmittelhersteller, Verlage oder Lotto-Gesellschaften. “Wir sind heu-te zwar nicht der größte Anbieter auf dem Markt, aber dass wir nach 125 Jahren als ältester Folienhersteller der Welt immer noch erfolgreich sind und mit Zuverlässigkeit und Qualität punkten, schätzen unsere Kunden weiterhin”, sagt Andreas M. Langheck.