Ob hilflos am Reck oder Weltklasse am Barren, ob wackelig am Schwebebalken oder medaillenreif auf der Bodenmatte – gemeinsam ist vielen Turnern und Turnschülern weltweit, dass sie an Spieth-Geräten turnen. Das Esslinger Traditionsunternehmen, das aus einer Schreinerei hervorgegangen ist, steht als Weltmarktführer in Sachen Turngeräte ganz oben auf dem Siegertreppchen. 1956 begann die Erfolgsgeschichte des Unternehmens, als die ersten Sprungbretter konstruiert wurden und bereits bei der Olympiade in Melbourne im Einsatz waren. Seitdem findet kaum ein sportliches Großereignis, ohne die bis ins Detail ausgetüftelten Wettkampfgeräte der Spieth GmbH statt.
Peking 2008 ist bereits die zehnte Olympiade, bei der Spieth aus Esslingen teilnimmt. Bereits Anfang des Jahres wurden zwölf Böden für die Rhythmische Sportgymnastik nach China geliefert, die komplett am Standort Esslingen produziert werden, wo rund 30 Mitarbeiter beschäftigt sind. Dieses Mal sind die Verantwortlichen guter Dinge, dass es keine Probleme gibt. Denn vor vier Jahren in Athen waren die Turnböden verschwunden und mussten verzweifelt in den riesigen Lagerhallen gesucht werden, erzählt Vertriebsleiter Jürgen Garziella. Ein eilig in die Olympiastadt beorderter Kollege musste sich dann erst durch Dutzende von Containern wühlen. Auch wenn man bei Spieth dieses Mal zuversichtlicher ist, wird am 17. und 18. August die Spannung nochmals steigen. An diesen Tagen muss die Sporthalle, die bis dahin für die Badminton-Wettkämpfe genutzt wird, über Nacht für die Gymnastinnen umgebaut werden.
Die Firma Spieth Gymnastic GmbH ging aus einer Schreinerei in Oberesslingen hervor, die Wilhelm Ludwig Spieth 1831 gegründet hatte. 1912 übernahm Albert Spieth das unternehmerische Zepter und gründete gemeinsam mit dem Ingenieur Richard Wilde die Wilde und Spieth GmbH. Anfangs wurden in der Esslinger Schreinerei vor allem Roll- und Klappläden, später auch moderne Stühle, Tische und Designmöbel hergestellt.
Die Herstellung von Sportgeräten kam damals durch einen Zufall zustande und ist der persönlichen Beziehung Rudolf Spieths zu verdanken, der eng mit Richard Reuther, einem Kunstturner und Konstrukteur befreundet war. Aus Gesprächen entwickelte sich die Idee, ein Sprungbrett zu bauen, mit dem Turner höher springen können. Daraus entstand 1956 als eigenes Unternehmen die Spieth Holztechnik GmbH, die heutige Spieth Gymnastic GmbH und bereits im selben Jahr kamen bei den Olympischen Spielen in Melbourne die ersten Reuther-Sprungbretter zum Einsatz.
Der technische Fortschritt im Turngerätebau und die Leistungssteigerung der Sportler beim Kunstturnen hängen eng zusammen. Die Entwicklung neuer Geräte hat viele Facetten. Neue Materialien kommen zum Zug, Wissenschaftler bringen ihre Erkenntnisse ein, Trainer ihre Anregungen und die Sportler selbst ihre Erfahrungen. Hierbei steht die Kombination aus Gesundheit, Sicherheit und Leistungssteigerung an oberster Stelle. An die Qualität seiner Produkte stellt das Unternehmen höchste Ansprüche.
Alle Produkte von Spieth entstehen in enger Zusammenarbeit mit dem Ingenieurbüro Reuther. Das Studium der Bewegungsabläufe beim Turnen ist ein entscheidendes Kriterium, wenn neue Geräte entwickelt werden. Man hat festgestellt, dass die Funktion der Geräte extrem verbessert werden kann, wenn die Geräte in turnfertigen, aber unbelasteten Zustand bereits “vorgespannt” sind. Durch die Belastung beim Turnen entwickeln sich zusätzliche Spannungen, die Geräte reagieren schneller und stärker und unterstützen die Bewegungen der Turnenden mehr, als dies bei einem nicht vorgespannten Gerät der Fall wäre.
Diese sogenannte “Vorspannung”, das sogenannte Reuther-Prinzip ist bei allen Gerätekonstruktionen umgesetzt worden (außer beim Pauschenpferd). Es hat den weiteren Vorteil, dass Vibrationen im Gerät, die den Turnenden sehr stören können, deutlich geringer ausfallen. Patentiert ist die Doppelverspannung. Hier ist neben Holmen und Stangen auch das gesamte Gerüst vorgespannt worden, so dass auch diese Teile in den Federungsprozess einbezogen werden.
Solche Konstruktionen setzen die Verwendung bester Materialien und eine hochtechnisierte Auslegung und Optimierung aller Geräteteile voraus. Die Sicherheit für die Turnenden erhöht Spieth zusätzlich mit durchbruchgesicherten Reckstangen und Barrenholmen. Messungen an Hochschulinstituten haben die Erfolge dieser Konstruktionen wissenschaftlich belegt.
Wenn neue oder verbesserte Turngeräte entwickelt und von Fachleuten und Trainern getestet werden, darf nicht jeder zuschauen. Nach Abschluss der Testreihen werden die Geräte vom Internationalen Turnerbund (FIG) geprüft, zugelassen und durch ein Zertifikat ausgezeichnet. So ist beispielsweise die Firma Spieth der weltweit einzige Hersteller, der seine Reckstangen durch ein eingebautes Stahlseil durchbruchsicher macht.
Ob Niedersprungmatten in Sandwichbauweise, die ersten Doppelschwingböden oder der erste Schwebebalkenkern aus Aluminium mit elastischer Auflage – die Spieth GmbH macht regelmäßig mit Innovationen von sich reden und gehört zu den maßgeblichen Impulsgebern im Kunstturn-Sport.
Auch die Böden, auf denen Turner in perfekter Haltung und mit bester Körperkontrolle bewundernswerte Übungen zeigen, sind eine Wissenschaft für sich. Die Anforderungen sind hoch: Der gesamte Aufbau der Schwingböden mit speziellen Federelementen sorgt dafür, dass die Turnfläche an möglichst jedem Punkt gleich elastisch ist. So unterstützt der Boden die Turnern bei ihren Sprüngen. Gleichzeitig werden die extrem beanspruchten Gelenke geschont. Die Oberfläche der Turnflächen bestehen aus einem stark belastbaren und antistatischen Velours.
Jedes Gerät und jeder Boden stellt andere Anforderungen. So versucht man beispielsweise bei einem Judoboden Schwingungen und starke Geräusche, die die Judokas stören könnten, möglichst zu vermeiden. Gleichzeitig muss der Boden elastisch bleiben, trittsicher sein, den Fall dämpfen und darf auf keinen Fall zu sehr nachgeben, damit die Fußtechnik beim Judo wirken kann.
Über die Konstruktion von Turngeräten hinaus berät die Firma Spieth Verbände, Vereine, Kommunen und Architekten bei der Planung von neuen Sporthallen und Leistungszentren oder bei der Umrüstung von bestehenden Einrichtungen. Das Kunst-Turn-Forum (Bundes- und Olympia-Stützpunkt Stuttgart) ist eines der neuesten von Spieth eingerichteten Leistungszentren. In Zusammenarbeit mit dem Schwäbischen Turnerbund (STB) wurde hier ein Trainingszentrum errichtet, das in seiner Konzeption weltweit zu den führenden Einrichtungen im Bereich des Kunstturnens zählt. Hier sind modernste Erkenntnisse der Trainingswissenschaften umgesetzt worden. Zuletzt wurden Leistungszentren in Russland, der Schweiz und Kroatien von Spieth konzipiert und gebaut.