Hinter einer Glas-Wand werkeln kleine Roboter vor sich hin. Mit größter Genauigkeit greifen, heben und stellen die Roboter verschiedene Gegenstände ab. Einer nimmt gleichzeitig vier gefüllte Gläser und stellt sie einen Meter entfernt in einen Behälter. Dann dreht sich der Roboter und greift vier weitere Gläser. Ein anderer legt sehr kleine Schrauben von einem Teller auf einen anderen. Zu hören ist von all dem fast nichts. Die fleißigen Roboter summen in angenehmer Lautstärke in der Eingangshalle von Weiss Robotics vor sich hin. Bislang greifen Industrie-Roboter hauptsächlich mit Druckluft. Die Greifer von Weiss Robotics werden stattdessen elektrisch gesteuert – ein erheblicher Mehrwert für Industrie-Unternehmen.
Elektrische Greifer mit Gefühl
Die Weiss Robotics GmbH & Co. KG aus Ludwigsburg stellt Greifer für Industrieroboter und Cobots her. Cobots sind Roboter, die gemeinsam mit Menschen arbeiten und im Vergleich zu Industrierobotern schon kleinere Tätigkeiten automatisiert erledigen. Zum Beispiel können sie in einer Bäckerei Brötchen aus dem Ofen entnehmen und in ein Verkaufsregal einsortieren. Durch die elektrischen Greifer von Weiss Robotics ist es möglich, empfindliche Objekte wie junge Salatpflänzchen, rohe Eier und zerbrechliche Gläser gefühlvoll von A nach B zu bewegen – schnell und präzise, ohne sie zu beschädigen. „Wir verstehen das Greifen als sensibles, gefühlvolles Umgehen mit Objekten, die nicht so richtig stabil sind“, sagt Geschäftsführer Dr. Karsten Weiß. Druckluft-Greifern, die bislang überwiegend in der Industrie zum Einsatz kommen, fehle dafür das nötige Feingefühl.
Bilder auswerten und Daten übertragen
Für dieses Gefühl sorgen viele Daten. Dazu gehören u.a. Kamerabilder, die gesichtet, ausgewertet und in den Greifer übertragen werden. Mit weiteren Informationen zur Beschaffenheit des Materials sowie der Größe und dem Gewicht der Objekte verstehen die Greifer, wie viel Kraft sie für welchen Gegenstand aufbringen müssen. Auch wie weit die Greifer ihre Greif-Finger spreizen, hängt von den eingespeisten Daten ab. Weiss Robotics bietet seine klugen Greifer in 16 Varianten an. Sie alle verbinden maschinelle mit gefühlvollen, fast menschlichen Eigenschaften – ein Gewinn für die Industrie und ihre Automation.
Greifer in New York im Einsatz
Das hat längst auch eine der renommiertesten Universitäten der Welt erkannt: An der Columbia University in New York wird mit den speziellen Greifern von Weiss Robotics an der Automation von Morgen geforscht. Wissenschaftler*innen der „Columbia“ nutzen die Greifer aktuell für ein Forschungsprojekt, um Textilien zu greifen. Ziel des Projekts ist es, das Greifen mit Stoffen wie Baumwolle zu trainieren und so T-Shirts und Hosen automatisiert zu falten. Gelingt das, könnten elektrische Greifer bald in Krankenhäusern oder Reinigungen unterstützen. Dass die Greifer in New York in der Forschung eingesetzt werden, ist ein Ritterschlag für Geschäftsführer Weiß und sein Unternehmen.
Zu Hause in der Region Stuttgart
Stark verwurzelt ist Weiss Robotics in der Region Stuttgart, denn viele Kunden kommen aus dem näheren Umfeld: „Wir sind ein kleines Unternehmen und sind stark auf den Heimatmarkt fokussiert. Wir haben hier in der Region einen klaren Standortvorteil, weil wir sehr schnell bei unseren Kunden sind“, sagt Weiß. Die klugen Greifer kommen in jenen Branchen zum Einsatz, in der das Thema Automation großgeschrieben wird. Darunter sind Unternehmen der Automobil-, Elektro- und Pharma-Industrie. Da die Greifer an alle bekannten Hersteller von Industrie-Robotern und Cobots angeschlossen werden können, sind sie heiß begehrt. Geschäftsführer Weiß muss deshalb stets abwägen, welche Aufträge für sein Team umsetzbar sind.
Herzstück: Entwicklung und Produktion
„Wir haben Glück und sind auf einem Wachstumsmarkt. Automation und Fertigung wird in Deutschland immer wichtiger“, sagt Geschäftsführer Weiß, der schon als 14-Jähriger eine lebenslange Patenschaft bei Bosch in einem Nachwuchs-Wettbewerb gewann und völlig frei Werkbänke und Werkzeuge des Zulieferers für seine Tüfteleien nutzen durfte. Parallel zum Abitur räumte Weiß 1998 als Sieger den Bundeswettbewerb „Jugend forscht“ ab, seit 2015 sind seine Greifer auf dem Markt. Heute arbeiten in seinem Team rund 20 Beschäftigte. Zum Herzstück des Unternehmens gehören die Entwicklung und die Fertigung. In einer kleinen Halle fräsen, schleifen und verkabeln Mitarbeitende unentwegt die besonderen Aluminium-Greifer.
Erfolgreich in die Zukunft
Denn die Geschäftslage ist gut: „Der Bedarf an unseren Greifsystemen ist ungebrochen. Automation wird anspruchsvoller, auch weil die Anforderungen der Industrie an hochsensible Werkstoffe höher werden“, sagt Weiß. Deshalb will sich das Unternehmen auch perspektivisch in der Region Stuttgart vergrößern. Zuletzt verbuchte die Ludwigsburger Firma ein zweistelliges Jahreswachstum. Feinfühlige Greifer werden auch in Zukunft gebraucht, wenn Brennstoffzellen und Batterien reihenweise auf- und wieder abgebaut werden. Bis es soweit ist, summen und werkeln die Roboter im Eingangsbereich von Weiss Robotics weiter fleißig vor sich hin – Schraube für Schraube, Glas für Glas.
Autor: Jannik Hausmann