Das Unternehmen „Werkstation“ in Besigheim ist einer der führenden europäischen Anbieter für Info-Terminals, Displays und Stelen. Der Mittelständler aus der Region Stuttgart entwickelt und produziert beispielsweise digitale Wegeleitsysteme für Kaufhäuser, Infoscreens für Schaufenster, Flughafen-Check-Ins oder auch Informationssysteme für die Flugsicherung. Gestartet 1993 als Hersteller hochwertiger Hardwaresysteme, bietet die Firma heute Komplett-Lösungen an. Der Geschäftsführer der Werkstation, Frank Nägele, nennt sich in gewollter Untertreibung gerne schlicht „Kistenbauer“, obwohl zu seinen Kunden viele namhafte Unternehmen wie Daimler, Bosch, Douglas, Porsche, Nestle, SAP, Airbus, Fraport, die Postbank oder auch die Deutsche Flugsicherung gehören.
Als beim Eurovision Song Contest in Aserbaidschan im Jahr 2012 alle gebannt auf die Bildschirme im Backstage-Bereich starrten, hatten Produkte der Werkstation aus dem schwäbischen Besigheim-Ottmarsheim die „Hand“ im Spiel. Musikalisch haben die „Kistenbauer“ zwar nichts beigesteuert, doch sie lieferten die Displays, die den aktuellen Stand der Veranstaltung für die Zuschauer vor Ort übertrugen. Frank Nägele“ nennt die Gehäuse, die er für Displays zur Visualisierung von Daten und andere Anwendungen, verwendet, liebevoll „Kisten“. „Digital Signage“, auf deutsch „digitale Beschilderung“ heißt dieser Geschäftszweig.
Der heute 48-Jährige stammt aus einer Handwerkerfamilie und hatte schon immer Spaß am Basteln. Er studierte an der Hochschule in Heilbronn Produktionstechnik mit Schwerpunkt Wirtschaftsingenieurswesen; seinen heutigen Geschäftspartner Prof. Dr. Joachim Löffler lernte er an der Hochschule kennen. Der Professor für Wirtschaftsrecht und Unternehmensführung war schnell von der Geschäftsidee überzeugt: „Frank Nägele war einer der ersten, der erkannt hat, was man mit den Info- und Kioskterminals machen kann, wo die Einsatzmöglichkeiten liegen. Und er war der erste, der ihnen eine angenehme Form und Farbe verpasst hat.“
Als Frank Nägele vor rund 20 Jahren anfing, war die Touch-Technik noch nicht besonders weit entwickelt und anstatt schlanker Flachbildschirme gab es nur voluminöse Röhrenmonitore. Doch Potenzial sah er schon damals reichlich. „Mich hat der Touchscreen so fasziniert, dass ich beschloss, ein System zu bauen, das ausschließlich über den Touchscreen bedienbar ist“, erinnert er sich. Heute lässt sich aber nicht jedes seiner Systeme ausschließlich über Touchscreen, sondern – je nach Bedarf – auch mit einer Tastatur bedienen.
Sonderwünsche werden in wenigen Tagen erfüllt
Derzeit beschäftigt Werkstation zehn Mitarbeiter in der Entwicklung und im Vertrieb sowie 15 Mitarbeiter in der Produktion. Tüfteln gehört auch heute noch zu den Hauptaufgaben des Unternehmers. Denn die meisten seiner Kunden haben spezielle Anforderungen an ihr Kommunikationssystem, die in der Regel auf Sonderanfertigungen hinauslaufen. „Jeder Kunde hat seine eigene Vorstellung von Form, Farbe und Funktion der Geräte, wir können all diese Vorstellungen realisieren“, sagt Frank Nägele. Gleich nebenan in seiner Tüftlerwerkstatt, die auch als Lager dient, baut er dann die Prototypen.
Dank seines selbst entwickelten Baukastensystems, mit dem sich die Grundausstattung eines Gehäuses erweitern und auch noch nach zehn Jahren problemlos Teile austauschen lassen, kann Frank Nägele innerhalb weniger Tage Sonderwünsche erfüllen und sogar als Einzelstücke ausliefern. „Wenn einer ein Terminal mit Barcode-Leser haben möchte, müssen wir nicht erst das ganze Gehäuse bauen; wir haben ein fertiges Gehäuse mit einer Modulplatte da, auf das wir einfach den Barcode-Leser anbringen“, erklärt der Unternehmer. Und weil er für jedes neue System eine Zeichnung und eine technische Dokumentation anfertigt, wird es zum Serienprodukt und der nächste Kunde profitiert davon.
Brandschutzoptimiert und behindertengerecht
Flexibilität und Erfindungsreichtum sind Nägeles größte Stärken. Komplizierte Aufträge wie zum Beispiel die Produktion eines besonders brandsicheren Kommunikationssystems sind ihm mehr Ansporn als Anlass zur Besorgnis. „Brandsichere Displays gibt es auf dem Markt erst, seit ich mit dem Brandschutzbeauftragten des Landes und dem zuständigen Architekten gesprochen habe und erfuhr, welche Standards solche Displays erfüllen müssten“, erzählt der Geschäftsführer. „Daraufhin habe ich eine Lösung entwickelt, die zum Maßstab wurde.“ Seither können auch alte Gebäude mit Kommunikationssystemen ausgestattet werden, ohne dass die strengen Brandschutzbestimmungen verletzt werden. Momentan arbeitet das Unternehmen sogar an einem „Nullbrandlastsystem“, von dem garantiert keine Brandgefahr ausgeht.
Vor einer ähnlich großen Herausforderung stand Frank Nägele, als ein Kunde barrierefreie Check-in-Systeme haben wollte. Da es bis dahin noch keine behindertengerechten Terminals gab und auch keine entsprechenden Normen existierten, entwickelte er kurzerhand seine eigene Richtlinie für barrierefreie Kommunikationssysteme. Dafür orientierte er sich unter anderem an bereits geltenden Vorgaben im Sanitärbereich. Den genauen Bewegungsradius eines Rollstuhlfahrers ermittelte er jedoch mit einem eigens dafür organisierten Rollstuhl im Selbstversuch. Für seine Mühen wurde er mit dem deutschen Multi-media-Preis ausgezeichnet – seine Richtlinie ist offizieller Bestandteil des europäischen Gleichstellungsgesetzes und wird bei Ausschreibungen zitiert.
Polizist trifft Staatsanwalt
Um Gleichstellung bemüht sich Frank Nägele auch im eigenen Unternehmen und bei der Produktion seiner Systeme. Diese werden nur eine Straße weiter in einer Werkstatt für Menschen mit einer psychischen Erkrankung gefertigt. „Mir ist es wichtig, Menschen eine Chance zu geben, die auf dem normalen Arbeitsmarkt keine so guten Aussichten hätten“, erklärt er. So sind auch Lücken im Lebenslauf kein Grund für ihn, jemanden nicht einzustellen. Viele seiner Mitarbeiter sind Quereinsteiger – wie Frank Nägele selbst, der bis zu seinem 23. Lebensjahr Bundespolizist war. Sein Wirtschaftsingenieursstudium begann er eigentlich, um sich im Bereich Wirtschaftskriminalität weiterzubilden. Dass es ihn dann doch in die Selbstständigkeit zog, hat er bis heute nicht bereut. „Bei uns arbeiten ein ehemaliger Polizist, ein früherer Staatsanwalt, eine gelernte Zahnarzthelferin und ein Schwerstbehinderter gewinnbringend zusammen. Und gerade weil wir vorher schon andere Erfahrungen gesammelt haben, sind wir so erfolgreich“, ist der vierfache Vater fest überzeugt.