"Schau mir in die Augen, Kleines!" – Wer kennt das berühmte Zitat aus dem amerikanischen Filmklassiker Casablanca nicht? Um seiner Filmpartnerin Ingrid Bergmann in die Augen schauen zu können, brauchte der relativ kleine Humphrey Bogart Plateauschuhe. Wenn Ärzte ihren Patienten professionell ins Auge sehen wollen, benötigen sie Hightech: zum Beispiel Ophthalmoskope des Medizintechnikherstellers Kirchner+Wilhelm (KaWe) aus Asperg in der Region Stuttgart, mit deren Hilfe der Augenhintergrund ausgeleuchtet werden kann.
Fast jeder ist KaWe-Produkten schon begegnet
Das 70 Mitarbeiter zählende Unternehmen gehört zu den international führenden Produzenten kleindiagnostischer Geräte. "Ob beim Augen-, HNO- oder Hautarzt, unseren Produkten ist fast jeder Patient schon einmal begegnet", erklärt KaWe-Geschäftsführerin Regina Kirchner. Neben Geräten zur Untersuchung des Augenhintergrunds gehören Dermatoskope zur Betrachtung der Haut, Stethoskope zur Überprüfung der Herztöne, Otoskope zum Ausleuchten des Gehörgangs und Laryngoskope, die bei der künstlichen Beatmung während einer Narkose eingesetzt werden, zu den Hauptprodukten des Unternehmens. Bei den letzten beiden Produktengruppen gehört KaWe zu den Marktführern.
Einen Grund für diesen Erfolg sieht die Firmenchefin in der Bereitschaft, die eigenen Produkte in enger Zusammenarbeit mit Ärzten und Klinken laufend weiterzuentwickeln. Dazu kooperiert KaWe unter anderem eng mit der medizintechnischen Fakultät der Hochschule Ulm, die das Unternehmen bei Materialtests und optischen Messungen unterstützt. Als Resultat dieser Entwicklungstätigkeit verfügt die Firma aus der Region Stuttgart über mehrere, internationale Patente. Auch beim Einsatz von LED-Technologie ist KaWe führend. "Die bisher verwendeten Glühbirnen oder Halogengaslampen hatten eine Lebensdauer von nur zwanzig Stunden. Jetzt verwenden wir speziell entwickelte LEDs, die stoßfester sind, tageslichtähnlich leuchten und mit rund 100.000 Stunden Betriebszeit wesentlich langlebiger und wartungsfreundlicher sind", beschreibt Kirchner eine der jüngsten Innovationen. Zudem setzt KaWe auch vermehrt recyclingfähige Materialien ein.
Familienbetrieb mit 120-jähriger Tradition
Entwicklung, Produktion, Vertrieb und Verwaltung sind seit zwanzig Jahren am heutigen Stammsitz in Asperg angesiedelt. Gegründet wurde das Unternehmen jedoch von Gustav Kirchner und Hugo Wilhelm im April 1890 in Stuttgart. Einen Namen machten sich die Unternehmensväter mit der Herstellung medizinischer Instrumente aus Metall, wie zum Beispiel Spritzen, Chloroform-Masken oder Luftwegkanülen. Gustav Kirchner, der Urgroßvater der heutigen Firmenchefin, leitete 45 Jahre lang die Geschicke des Medizintechnikherstellers. Sohn Albert sowie Enkel Georg Kirchner traten in seine Fußstapfen und führten das Unternehmen ihrerseits 40 beziehungsweise 53 Jahre weiter. Seit 1986 steht mit Regina Kirchner die erste Frau an der Spitze des Betriebs. Mit dieser familiären Kontinuität in der vierten Generation ist KaWe eine absolute Ausnahmeerscheinung und feiert dieses Jahr sein 120-jähriges Bestehen.
Mit der Firmenchefin zu weltweiter Bekanntheit
Die Firmenchefin leitete eine wichtige Weichenstellung ein: den konsequenten Ausbau des internationalen Geschäfts, nachdem KaWe bis dahin vorwiegend für den deutschen Markt produziert hatte. "Zu Beginn meiner Zeit als Geschäftsführerin lag unser Exportanteil bei unter zehn Prozent. Heute macht das Auslandsgeschäft rund 70 Prozent vom Umsatz aus. Der deutsche Markt war gesättigt. Um weiter wachsen zu können, mussten wir gezielt internationale Märkte erschließen, was gleichzeitig unsere Abhängigkeit von einem einzelnen Land verringert hat", erläutert Kirchner die Gründe für die Forcierung des weltweiten Geschäfts.
Aktuell ist der Medizintechnikhersteller in mehr als 100 Ländern präsent, teilweise durch Vertriebspartner, aber auch – wie zum Beispiel in China – mit einem eigenen Büro, das sich um die notwendigen Registrierungen kümmert. Ungefähr 40 Prozent der Exporte gehen in Mitgliedsstaaten der Europäischen Union, gefolgt von arabischen Ländern, Asien und Amerika. Ausschlaggebend für den weltweiten Erfolg seien vor allem die guten persönlichen Kontakte zu den Kunden, die kurzen Entscheidungswege und die Möglichkeit, viele Kunden in ihrer Landessprache zu betreuen. Dazu stellt KaWe Produktprospekte und Dokumentationen in sieben Sprachen zur Verfügung. Auch auf den großen internationalen Fachmessen wie der Arab Health in Dubai oder der Medica in Düsseldorf ist das Unternehmen aus der Region Stuttgart regelmäßig vertreten.
Aus Überzeugung in der Region Stuttgart
Gerade im medizintechnischen Bereich müssen Produkte den höchsten Qualitäts- und Präzisionsansprüchen gerecht werden und strikte klinische Test bestehen. "Im internationalen Geschäft profitieren wir enorm vom guten Ruf, den deutsche Produkte aufgrund ihrer Qualität und Innovation genießen. Eine Verlagerung der Herstellung in eine andere Region oder ins Ausland ist für uns nie ein Thema gewesen – aus Überzeugung", erklärt Regina Kirchner. "Denn hier haben wir das notwendige Know-how, qualifizierte Mitarbeiter, sind verkehrstechnisch günstig gelegen und nah dran an vielen unserer Zulieferer, die oft auch die Automobilindustrie bedienen." Folglich hat das Unternehmen erst vor zwei Jahren die Fläche am Sitz in Asperg um ein Drittel erweitert und mehr als eine Million Euro investiert.
Nach einem Rekordumsatz im Jahr 2008 musste KaWe im Zuge der weltweiten Wirtschaftskrise 2009 leichte Einbußen hinnehmen. Für das laufende Jahr rechnet die Firma aber wieder mit einem deutlichen Umsatzwachstum. "Wir müssen und wollen weiter auf Expansionskurs bleiben", gibt Kirchner als Strategie für die Zukunft aus. Dazu will sie zusätzliche neue Märkte erschließen, zum Beispiel in Südafrika, und weiter an den eigenen Produkten feilen. Auch die Produkttiefe soll vergrößert werden: "Wir wollen alles anbieten, vom High-End-Produkt mit neuster LED-Technik und Fiberoptik, über Standardausführungen bis zu weniger aufwändigen Versionen für Übungszwecke, die aber immer noch gute Qualität besitzen und über die gleichen Garantieleistungen verfügen. Eben flexibel auf das reagieren, was der Kunde braucht."