Fahrkartenautomaten und Videorekorder haben einen fast schon legendären Ruf, ihre ahnungslosen Nutzer in kürzester Zeit an den Rand des Wahnsinns zu treiben. Gleiches gilt für Fehlermeldungen oder Computerbefehle, die sich so geschickt in Menüleisten verstecken, dass Anwender sie garantiert nie entdecken. Die User Interface Design GmbH (UID) aus Ludwigsburg hat sich zum Ziel gesetzt, den dabei entstehenden Technikfrust in Techniklust zu verwandeln.
Das Unternehmen aus der Region Stuttgart gehört zu den führenden Dienstleistungs- und Beratungsfirmen für die benutzerzentrierte Gestaltung von Schnittstellen. Aktuell arbeiten mehr als 75 Experten – vom Designer über Psychologen bis zu Informatikern und Ingenieuren – daran, die Kommunikation zwischen Mensch und Maschine zu verbessern. “Als Anwender muss ich das Gefühl haben, dass ich mit einem guten Produkt arbeite, das auch genau das macht, was ich von ihm möchte. Diesen Anspruch zu realisieren, ist unsere Aufgabe”, fasst der UID-Geschäftsführer Franz Koller zusammen.
Die Bereiche, in denen die Beratungs- und Dienstleistungen des Ludwigsburger Unternehmens gefragt sind, reichen vom Automobilbau über Unterhaltungselektronik, Medizin und Pharma bis hin zu Banken und Versicherungen. UID hat unter anderem schon Navigations- und Fahrassistenzsysteme mitentwickelt, genauso wie Displays für Geldzählmaschinen, Bedienpanels für Werkzeugmaschinen oder für medizinische Geräte wie Herz-Lungen-Maschinen. Weitere Aufträge waren zum Beispiel eine besonders bedienungsfreundliche Software zum Brennen von CDs, Plattformen für digitales Fernsehen, Bedienoberflächen für Mobiltelefone, Online-Shops oder ein Warenwirtschaftssystem für Apotheken.
Schnittstellen als Aushängeschild
“Der Mensch kommuniziert mit interaktiven Produkten über Benutzerschnittstellen, die stellvertretend für das ganze Produkt sind. Deshalb ist ihre Gestaltung ein entscheidendes Qualitätsmerkmal”, erklärt Franz Koller. Damit der Anwender seine Aufgaben möglichst effektiv und effizient erfüllen kann, kommt es vor allem darauf an, dass er sich schnell zurechtfindet und die Steuerung soweit wie möglich selbsterklärend ist. Aus diesem Grund steht bei UID der Endanwender im Zentrum.
“Schon während und nicht erst nach Abschluss der Entwicklungsphase ist die Evaluation durch Experten und vor allem durch den Nutzer selbst sehr wichtig. Mittels Prototypen können wir Stärken und Schwächen unter realistischen Bedingungen testen und die Ergebnisse in den weiteren Entwicklungsprozess integrieren”, beschreibt der UID-Geschäftsführer einen ausschlaggebenden Erfolgsfaktor. Generell lohnt sich die Investition in die Entwicklung benutzerfreundlicher Produkte, denn sie fördern die Motivation und Produktivität ihrer Anwender, senken Schulungskosten und weisen ein geringeres Risiko bei der Markteinführung auf.
Neben der klassischen Benutzerfreundlichkeit gewinnt das allgemeine Nutzererlebnis zunehmend an Bedeutung. “Bei vielen Produkten geht es nicht mehr nur darum, Aufgaben möglichst gut und schnell zu erledigen. Immer wichtiger sind auch attraktives Design, Spaß bei der Handhabung und das Wecken des natürlichen Spieltriebs”, beschreibt Franz Koller die veränderte Erwartungshaltung der Kunden.
“Das Produkt wird als Ganzes wahrgenommen, die Nutzung soll zum positiven Erlebnis werden. Das iPhone ist ein Paradebeispiel dafür, wie man Technologie emotional positiv besetzen kann. Man will mit ihm arbeiten und fühlt sich gut dabei. Es ist Spielzeug und Statussymbol zugleich.” Dieser Effekt beschränke sich jedoch nicht auf Kommunikations- und Unterhaltungselektronik, so Koller weiter. “Bei entsprechender Gestaltung können fast alle Maschinen ein positives Nutzererlebnis schaffen”.
National und international mehr als 1.200 Projekte
Insgesamt hat UID bereits mehr als 1.200 Projekte betreut. Das Ludwigsburger Unternehmen wurde im Jahr 1997 als deutsche Tochterfirma der schwedischen Muttergesellschaft UID AB gegründet, macht sich aber schon im Folgejahr als User Interface Design GmbH selbstständig. Zum schnell wachsenden Standort in der Region Stuttgart kamen im Lauf der Jahre weitere Geschäftsstellen in München, Mannheim und Dortmund.
Als Gründungsmitglied eines weltweiten Netzwerks aus Usability-Unternehmen ist UID auch auf internationaler Ebene aktiv und untersucht zum Beispiel interkulturelle Gemeinsamkeiten und Unterschiede bei Bedienung von Multitouch-Oberflächen, wie man sie in Tablet-PCs oder in Industrieanlagen findet. Diese verfügen über eine berührungsempfindliche Oberfläche und werden mittels Fingerzeig und Gesten gesteuert. Aber welche Gesten eignen sich im weltweiten Vergleich überhaupt, um Computer zu Aktionen wie Blättern, Löschen oder Vergrößern zu veranlassen? Denn um ein Objekt zu löschen malen Chinesen ein X auf die Oberfläche, während Europäer es aus dem Bildschirm ziehen.
Leichte Bedienbarkeit für alle
Ein weiteres zukunftsträchtiges Thema hat die Ludwigsburger Firma gemeinsam mit der Hochschule der Medien in Stuttgart unter die Lupe genommen: Welche Unterschiede bestehen zwischen jüngeren und älteren Nutzern interaktiver Produkte? “Dabei haben wir herausgefunden, dass die Differenz zwischen Jung und Alt gar nicht so gravierend ist, wie oft angenommen. Ältere Menschen sind keineswegs besonders kritisch gegenüber Technik. Stattdessen sollte man verstärkt ältere Menschen als Maßstab nehmen, um festzustellen, wie benutzerfreundlich Produkte generell sind – also keine speziellen Seniorenprodukte entwickeln, sondern leichte Bedienbarkeit für alle zum Ziel machen”, fasst Koller die Ergebnisse der Untersuchung zusammen.
Ein weiteres laufendes Forschungsprojekt, bei dem UID mit dem Fraunhofer Institut für Produktionstechnik und Automatisierung und einen Stuttgarter Altenpflegeheim zusammenarbeitet, beschäftigt sich mit dem Einsatz von Service-Robotern in der Altenpflege. Das Ziel des Projekts ist es, älteren Menschen länger ein unabhängiges und selbstbestimmtes Leben zu ermöglichen. Dazu übernimmt der sogenannte Care-O-Bot einfache Transportdienste und trägt beispielsweise einen Wäschekorb, leistet einfache Begleitdienste, erinnert an die Einnahme von Medikamenten oder ans Trinken und bringt auch gleich Wasser und Glas.
Für den Erfolg von UID sprechen neben bekannten Kunden wie Daimler, HP, Miele, Trumpf, Vodafone oder die Versicherungsgesellschaften Swiss Re auch die Auszeichnungen der letzten Jahre, darunter “Deutschlands bekanntestes Usability Unternehmen 2010” und “Dienstleister des Jahres 2010” in der Kategorie Dienstleistungsinnovation. Entsprechend optimistisch beurteilt der UID-Geschäftsführer Franz Koller die weitere wirtschaftliche Entwicklung: “Nach einem leichten Umsatzrückgang im Krisenjahr 2009 haben wir 2010 wieder eine deutliche Belebung gespürt und konnten unseren Umsatz von 5,4 auf 6,8 Millionen Euro steigern.” Dieser Erfolg spiegelt sich auch im kontinuierlichen Anstieg der Mitarbeiterzahl in den letzten Jahren wider. Zu den aktuell 75 Fachleuten kommen neben Verwaltungsmitarbeitern rund ein Dutzend Azubis, Praktikanten, Werkstudenten und Trainees, um den Fachkräftenachwuchs frühzeitig zu sichern.