Ob der polnische Schriftsteller Stanislaw Lem geahnt hat, wie nah er der Wirklichkeit war, als er 1964 seine “Robotermärchen” veröffentlichte? Für Nicht-Utopisten kann es im vordigitalen Zeitalter kaum vorstellbar gewesen sein, was Automaten heute leisten. Mit den Blechkameraden aus Science-Fiction-Filmen haben sie wenig gemein.
Heute begegnen wir ihnen in der Fabrik, im Garten, in der Pflege. Wir haben uns daran gewöhnt, kugelige Automaten den Rasen mähen zu lassen, und wenn sie demnächst unsere gebrechlichen Großeltern ins Badezimmer begleiten, werden wir wohl auch daran keinen Anstoß nehmen. In der Industrie ermöglicht die Digitalisierung eine Zusammenarbeit von Mensch und Maschine, die bisher aus Sicherheitsgründen so nicht genehmigungsfähig war. Eine neue Generation von Sensoren hat der Mensch-Roboter-Kollaboration (MRK) Wege eröffnet, die nicht nur neue Dimensionen der Produktivität, sondern auch neue Chancen für die Teilhabe von behinderten Menschen eröffnen.
Im Rahmen des vom Bund geförderten Forschungsprojekts AQUIAS hat das Inklusionsunternehmen ISAK aus Sachsenheim gemeinsam mit dem Fraunhofer IAO und der Firma Bosch einen MRK-Arbeitsplatz für Schwerbehinderte auf der Basis des mobilen Bosch-Produktionsassistenten APAS vorgestellt.
Bei ISAK arbeiten Menschen mit unterschiedlichen Leistungseinschränkungen in der Montage. “Die Robotik unterstützt Schwerbehinderte und Nichtbehinderte beim Heben und Tragen”, sagt ISAK-Geschäftsführer Thomas Wenzler – und spannt den Bogen weiter: “Im Hinblick auf eine alternde Belegschaft infolge längerer Lebensarbeitszeiten ist das für alle interessant.”
Spielkonsolen als Kostensenker
Die Schnaithmann Maschinenbau GmbH aus Remshalden hat eine Idee entwickelt, die sich spektakulärer anhört, als sie aus technischer Sicht sein mag. “Wir haben gemeinsam mit der Hochschule Esslingen und der Beschützenden Werkstätte Heilbronn ein Assistenzsystem zur manuellen Montage von Baugruppen entwickelt und sind dabei auf die Idee gekommen, preiswerte Elemente aus Massenprodukten, nämlich Spielkonsolen zu verwenden”, erklärt Entwicklungsleiter Volker Sieber. Die Kostenargumente sind unschlagbar: Mit den Konsolen kostet Bewegungserkennung 200 Euro, wo für hochauflösende Industriesensoren bis zu 10.000 Euro fällig gewesen wären.
Bei der Schnaithmann-Lösung arbeitet ein Einarmroboter mit dem Menschen Hand in Hand. Dank der “Spielzeug-Sensoren” hält er inne, sobald er den menschlichen Kollegen auch nur sanft berührt. “Wir sind in die Werkstätte gekommen, um ein Lean-Projekt zu machen, eine normale Arbeitsplatzplanung, denn auch solche Industriebetriebe müssen just-in-sequence auf Fließbänderliefern”, so Sieber. Auch dieser Arbeitsplatz hat sich bewährt und kommt in regulären Unternehmen zum Einsatz – vor allem für die Herstellung von Produkten mit großer Variantenvielfalt.