Die Lufft GmbH aus Fellbach bei Stuttgart entwickelt und produziert seit bald anderthalb Jahrhunderten professionelle Komponenten und Systeme für die Klima- und Umweltmesstechnik. Damit werden in aller Welt Luftdruck, Temperatur, relative Feuchte und andere Umweltgrößen gemessen und registriert. Ob bei der anstehenden Fußball-Weltmeisterschaft und den kommenden Olympischen Sommerspielen in Brasilien oder im Weinberg in Fellbach – Energieversorger, meteorologische Dienste, Winzer, Bauern und Umweltämter verlassen sich voll und ganz auf die hoch präzisen und langlebigen Produkte des mittelständischen Unternehmens aus der Region Stuttgart.
Wenn im Juni und Juli 2014 in Brasilien die 20. Fußball-Weltmeisterschaft ausgetragen wird, werden neben der deutschen Nationalmannschaft auch die Wettersensoren der G. Lufft GmbH aus Fellbach in der Region Stuttgart mit von der Partie sein – und zwar in allen zwölf Spielstätten. Sie sorgen dafür, dass in den Stadien wichtige klimatologische Messdaten wie relative Feuchte, Luftdruck oder Globalstrahlung gleichzeitig erfasst und aufgezeichnet werden. Über einen externen Sensor kann außerdem der Niederschlag gemessen werden. „In Brasilien herrscht ein überwiegend tropisches Klima mit einer extremen Luftfeuchtigkeit, bedingt durch die Größe des Landes gibt es sogar mehrere Klimazonen“, erklärt Klaus Hirzel, seit 1989 Geschäftsführender Gesellschafter bei Lufft, die klimatischen Besonderheiten des Gastgeberlandes. „Durch die genauen Wetterinformationen, können extreme Hitze, starke Regengüsse oder gar Stürme vorhersagt werden, davon profitieren Zuschauer und die Spieler gleichermaßen.“
Blonde Frauenhaare messen am präzisesten
Wettererfassung ist das Kerngeschäft des 1881 gegründeten Unternehmens, nicht nur für den Profisport. Der damals 33-jährige Optikermeister Gotthilf Lufft aus Stuttgart begann seine unternehmerische Karriere mit der Produktion von Metallbarometern. Damit avancierte er recht schnell zum weltweiten Marktführer. Dank ihrer Präzision wurden bald auch seine Höhenmesser und Bimetall-Thermometer zu Verkaufsschlagern. Haarhygrometer, die mit Hilfe eines Bündels Haare, das sich bei Luftfeuchtigkeit ausdehnte – blonde Frauenhaare waren aufgrund ihrer feinen Beschaffenheit besonders geeignet – die relative Luftfeuchtigkeit maßen, ergänzten das Sortiment.
Nach dem Zweiten Weltkrieg konzentrierte sich die dritte Generation mit Erich Müller-Lufft an der Spitze des Unternehmens auf die Produktion von Wetterwarten für Privathaushalte und von meteorologischen Messgeräten für Industriekunden. Aber auch die Kompasse und Höhenmesser des schwäbischen Unternehmens stellten bei Expeditionen ihre Zuverlässigkeit unter extremen Bedingungen immer wieder unter Beweis – etwa 1953 am 8.125 Meter hohen Nanga Parbat in Pakistan oder 1954 auf einer Entdeckungsreise ins grönländische Packeis.
Ende der 1950er Jahre beschäftigte die Firma 300 Mitarbeiter, das Unternehmen florierte. Doch in den späten 1970er Jahren begannen erste hausgemachte Probleme. Die Nachfrage nach mechanischen Sensoren nahm immer mehr ab, die Elektronik – das neue Zauberwort – hatte auch die Messtechnik erfasst. „Die damalige Geschäftsführung hat diese Wende leider komplett verschlafen und reagierte auf die dramatischen Veränderungen nicht schnell genug“, erklärt Klaus Hirzel. „Es war natürlich kurzsichtig, zu glauben, weil unsere Messgeräte präzise, zuverlässig und langlebig waren, müsse man sich nicht um die Weiterentwicklung kümmern.“
Pflanzen lieben den HP100
Im Jahr 1989 umfasste die Preisliste von Lufft gut 1.200 Positionen; rund 80 Prozent der Produkte waren vor dem Jahr 1979 entwickelt worden. Nach mehreren Personalschnitten – deren Wirkung ohne Neuausrichtung von Produkten und Verfahren bald verpufft war – verkauften die Inhaber den Betrieb schließlich an die Wirtschaftsingenieure Stefan Schöllhammer und Klaus Hirzel. Deren erste Rettungstat war der Umzug nach Fellbach-Schmiden in kleinere Produktionshallen. Die größere Herausforderung bestand freilich darin, die Produkte von Mechanik auf Elektronik umzustellen. 1991 konnte Lufft gemeinsam mit zwei anderen Unternehmen den insolventen Saunabauer Klafs in Schwäbisch Hall erwerben. Durch den Einstieg beim Marktführer Klafs wurde es für Lufft nun auch interessant, elektronische Saunasteuerungen zu produzieren.
Auch im Segment der Agrarmeteorologie konnte das Unternehmen bald punkten. So stellte Lufft 1990 mit dem Herbarum Protector HP100 einen „Pflanzenbeschützer“ vor, der als erstes elektronisches Messgerät Berechnungen zu diversen Blattkrankheiten ermöglichte und Ergebnisse direkt zur Verfügung stellte. Dafür zeichnet ein Dauerschreiber kontinuierlich Temperatur, relative Luftfeuchte, Blattnässe, Helligkeit und Niederschlag auf. Anstatt präventiv zur chemischen Keule zu greifen, kann der Wein- oder Obstbauer nun vorhersehen, wann ein Befall durch die schädlichen Mehltaupilze droht. „Auf den HP100 sind wir wirklich stolz, er steht genau so am Neckar und am Rhein wie in den berühmten Rebenregionen Kaliforniens“, sagt Klaus Hirzel.
Ebenfalls in den 1990ern begann Lufft, mobile und stationäre hochpräzise Messgeräte für die Industrie herzustellen, die Voraussetzung für die Gewährleistung stabiler Klimabedingungen sind.
Leidenschaft für Präzision
Heute beschäftigt Lufft 85 Mitarbeiter bei einem Umsatz von 20 Millionen Euro – 1989 waren es noch vier Millionen Mark gewesen. Über 90 Prozent der Umsätze werden mit Elektronik-Produkten gemacht, wobei maßgeschneiderte Kunden-Lösungen eine immer größere Rolle spielen. Überall dort, wo Luftdruck, Temperatur, relative Feuchte und andere Umweltmessgrößen gemessen oder registriert werden müssen, sind Lufft-Produkte gefragt. Mehr als 60 Prozent der Messsensoren werden ins Ausland exportiert. Intelligente meteorologische Sensoren bilden die Grundlage für weltweit verfügbare Messnetze entlang von Straße, Schiene und an Flughäfen. „Wetterinformationen sind immens wichtig für den Fern- und Flugverkehr und für die Schifffahrt, speziell bei der Routenplanung und der Reisezeitberechnung“, erklärt Klaus Hirzel. „Unsere Sensoren und Systeme helfen Entscheidern im Winterdienst oder bei der Schaltung von Wechselverkehrszeichen auf den Autobahnen in Echtzeit.“ Meteorologische Dienste und Umweltämter, Gebäudeausrüster und Energieversorger schätzen die präzisen und langlebigen Produkte der Fellbacher Spezialisten. Um den hohen Qualitätsanspruch zu unterstreichen, betreibt Lufft ein eigenes Kalibrierlabor mit einem Windkanal für die Prüfung von Windsensoren.
Seit vielen Jahren beschäftigt sich Lufft auch mit dem Thema Wettererfassung für den Profisport. In besonderem Maße profitiert die alljährlich stattfindende Vierschanzen-Tournee von den mobilen Wetterstationen für exakte Vorhersagen. Bei der Fußball-WM werden die Sensoren, falls nötig, die Fußballer in Brasilien vor ungewöhnlichen Wettergeschehnissen warnen. Für die Olympischen Spiele 2016 in Rio de Janeiro liefert Lufft sechs Kompaktwetterstationen.
Mit der erfolgreichen Verbindung von Tradition und Innovation hat das eher kleine mittelständische Unternehmen die Weichen für eine erfolgreiche Zukunft gestellt und dafür gesorgt, dass der Name Lufft weltweit wieder für beste Qualität und Präzision steht.