Ob Flughafen, Fährterminal oder Grenzübergang auf der Straße – überall, wo ein deutscher Reisepass über den Tresen einer Passkontrolle wandert, ist immer auch ein kleines Stück der Fritz Häcker GmbH aus Vaihingen/Enz mit dabei. Denn das rund 30 Mitarbeiter zählende Unternehmen aus der Region Stuttgart sorgt mit seinen Proteinklebstoffen schon seit vielen Jahren dafür, dass Inhalt und Einband des identitätsstiftenden Dokuments fest zusammenhalten.
Im Unterscheid zu synthetischen Klebstoffen wie Alles- oder Heißkleber greift Häcker für seine Proteinklebstoffe auf natürliche Inhaltstoffe zurück: Gelatine, Glycerin-Alkohol, Zucker und Bittersalze sind die wesentlichen Bestandteile. Die Einsatzmöglichkeiten sind vielfältig. Ob Buchdecken und Buchrücken für hochwertige gebundene Wälzer mit schweren Bezugsstoffen, Aktenordner, Verpackungen für Lebensmittel, Medikamente oder Kosmetika, mit Folie bezogene Geschenkschachteln bis hin zu den Brettspielen und Puzzeln der Ravensburger Spiele AG – überall sorgt der Proteinkleber für festen Halt und eine optimale Oberfläche, die sich weder wellt noch aufquillt.
Auch die Betriebe der Mohn Media, die täglich mehr als 200.000 Hardcover-Bücher herstellen, und viele weitere führende Buchbindereien gehören zu den Kunden der Firma aus Vaihingen. "Weltweit sind wir der technologisch führende Produzent von Proteinklebstoffen und haben zu vielen Unternehmen, vor allem aus der grafischen und papierverarbeitenden Industrie, die in Deutschland traditionell stark vertreten sind, langjährige gewachsene Verbindungen", erklärt der Häcker-Geschäftsführer Gerd Clemens.
Weltmarktführer mit Top Tack und 125 Jahren Erfahrung
"Was gelatinebasierte Klebstoffe von anderen unterscheidet und sie besonders gefragt macht, ist die sehr schnelle Anfangshaftung, der sogenannte Top Tack", erläutert Clemens. Diese Produkteigenschaft nutzen zum Beispiel führende Hersteller von Aktenordnern. Pro Minute fertigen spezielle Maschinen mehr als 90 Ordner. Um diese hohe Taktzahl zu ermöglichen, müssen sämtliche geklebten Bestandteile sofort haften, ohne lange Fixier- und Trockenzeit. Ein weiterer marktentscheidender Vorteil von Proteinklebstoffen ist ihre Wasserlöslichkeit. Zur Reinigung von Maschinen, in denen der Klebstoff zum Einsatz kommt, genügt warmes Wasser. Auch wenn es darum geht, Pappe und Papier wiederzuverwerten, ist der Proteinkleber gegenüber herkömmlichen Konkurrenten im Vorteil. Denn er löst sich restlos in Wasser auf, ist ungiftig und biologisch abbaubar.
Dass man aus Gelatine Leim herstellen kann, wussten schon die alten Ägypter vor mehr als 4.000 Jahren. Aus den Knochen und der Haut ihrer Rinder und Schweine gewannen sie Gelatine, die getrocknet, wieder aufgewärmt und mit Wasser vermischt einen zuverlässigen Klebstoff ergab. Auf eine nicht ganz so lange Geschichte kann die Häcker GmbH zurückblicken, die in diesem Jahr ihr 125-jähriges Bestehen feiert. Im Jahr 1885 stellte Fritz Häcker aus Abfallprodukten der väterlichen Gerberei in einem ausrangierten Waschzuber seinen ersten Leim her. Die daraufhin gegründete Firma war von Beginn an erfolgreich und profitierte von der in der Region stark vertretenen Lederindustrie.
Bis in die 1990er Jahre war Häcker der führende deutsche Leimhersteller und europäischer Marktführer für technische Gelatine, die nicht nur bei der Herstellung von Kleb- und Leimprodukten Verwendung fand, sondern zum Beispiel auch in Streichhölzern zum Einsatz kam. Wenige Milligramm Gelatine halten im Streichholzkopf die einzelnen Komponenten zusammen und schäumt sie beim Anzünden auf. Bis zur Jahrtausendwende produzierte Häcker in Vaihingen jährlich noch 3.000 Tonnen technische Gelatine, die 70 Prozent des Umsatzes ausmachte.
Aufgrund des Strukturwandels fielen jedoch nach und nach die Rohstofflieferanten aus der Lederindustrie weg. Die Konkurrenz durch synthetische Klebstoffe wurde immer größer, hinzu kamen außerdem immer striktere Umweltauflagen – das Unternehmen geriet ins Trudeln. "In dieser Situation mussten wir uns neu ausrichten. Dazu haben wir unser Kerngeschäft quasi auf den Kopf gestellt, die Gelatineproduktion eingestellt und uns ganz auf die Herstellung von hochwertigen Proteinklebstoffen konzentriert", skizziert der Geschäftsführer die Restrukturierung. Die benötigte Gelatine wird nun als Granulat zugeliefert und in Vaihingen weiterverarbeitet.
"Auf der Basis des im Jahr 1965 zum ersten Mal hergestellten Proteinklebstoffs haben wir ein breites Produktspektrum für unterschiedliche Materialien, Anwendungen und Verarbeitungsmaschinen entwickelt. In diesem Bereich haben wir unsere kleine, aber vielversprechende Nische gefunden, die wir konsequent nutzen", bilanziert Clemens. Nach einem konjunkturbedingt etwas schwächerem Geschäftsjahr 2009, rechnet Häcker für das laufende Jahr mit einer Umsatzsteigerung circa 15 Prozent auf mehr als acht Millionen Euro.
Exporterfolge im Rucksack der Maschinenhersteller
Ausgeliefert wird der fertige Proteinklebstoff in handlichen Kissen, die die Konsistenz von Gummibärchen haben. Der Kunde schneidet die Kissen auf und gibt den Inhalt in ein 60 Grad warmes Wasserbad. Dadurch wird der Klebstoff wieder flüssig und kann mit einer Walze aufgetragen werden. "Unser Produkt sieht zwar relativ einfach aus, aber dahinter steckt viel Wissen und Erfahrung", so der Häcker-Geschäftsführer.
Ausschlaggebend für einen guten Klebstoff ist die richtige Balance von starker Klebekraft und guten Verarbeitungseigenschaften. Deshalb arbeitet ein Team aus Chemikern, Chemieingenieuren und Technikern fortlaufend an der Weiterentwicklung der Rezepturen. "Da wir mit natürlichen Rohstoffen arbeiten, profitieren wir enorm vom Erfahrungsschatz unserer Mitarbeiter, die meist schon sehr lange im Unternehmen sind. Denn bei natürlichen Rohstoffen gibt es immer gewisse Schwankungen, die physikalisch nicht ermittelbar sind. Trotzdem müssen wir sie so weiterverarbeiten, dass unsere Kunden am Ende ein identisches und qualitativ gleichbleibendes Produkt bekommen", beschreibt Clemens eine zentrale Herausforderung bei der Produktion.
Genauso wichtig wie die gleichbleibende Produktqualität ist die individuelle anwendungstechnische Betreuung der Kunden. In enger Zusammenarbeit mit Maschinenherstellern entwickelt das Unternehmen die jeweils passende Klebstoffrezeptur – abgestimmt auf Maschinentyp, zu klebendes Material und die klimatischen Bedingungen am Einsatzort. "Weil unsere Kunden aus dem Maschinenbau wissen, dass Häcker-Klebstoffe auf ihren Anlagen optimal funktionieren, geben sie ihren Kunden oft Proben von uns mit. Wir sitzen quasi im Rucksack der Maschinenhersteller und gewinnen auf diese Weise neue Kunden, vor allem auch im Ausland", erklärt der Geschäftsführer weiter.
Über ein weltweites Netz von Vertriebspartnern und Vertretern sind die Produkte der Firma in mehr als fünfzig Ländern präsent, entsprechend beträgt die Exportquote des Unternehmens mehr als 75 Prozent. Ein weiterer großer Vorteil im internationalen Geschäft sei, so Clemens, auch die Kooperation mit dem Global Player Henkel, der die Häcker Proteinklebstoffe für viele Exportländer in seine Produktpalette aufgenommen hat.
"So wie wir jetzt aufgestellt sind, können wir wunderbar weiter wachsen", bilanziert Clemens. Im nächsten Jahr will das Unternehmen zusammen mit einem Partner einen Produktionsstandort in Brasilien aufbauen. Gleichzeitig bekennt sich Häcker aber deutlich zum Standort Vaihingen: "Hier hat alles angefangen. Die Produktionsbedingungen sind weiterhin sehr gut und wir haben ein eingeschworenes Team aus hochqualifizierten und motivierten Mitarbeitern, die zu den Spezialisten ihres Faches gehören."