Was würden wir wohl tun, wenn wir jeden Tag bis zum Umfallen schuften müssten, Steuern, Zölle und Zinsen kaum etwas zum Leben übrig ließen, und wir noch dazu in unserer Freizeit umsonst beim Bau des herrschaftlichen Wohnhauses unseres Chefs mithelfen müssten? Vor knapp 500 Jahren hatten viele Bauern und andere arme und rechtlose Leute die Nase gestrichen voll. Der deutsche Südwesten, darunter Württemberg und Schwaben, war neben Franken und Thüringen ein Zentrum der Aufstände. In den Jahren 1524 und 1525 wandten sich die Bauern gegen den herrschenden Adel wie auch die Kirche und hatten anfangs großen Erfolg. In Böblingen kam es am 12. Mai 1525 zur endgültigen Entscheidungsschlacht, bei der die Bauern blutig besiegt wurden. Annähernd 3.000 Aufständische wurden niedergemetzelt.
In Böblingen widmet sich seit 1988 das Deutsche Bauernkriegsmuseum diesem einschneidenden Kapitel der deutschen Geschichte. Die Ausstellung in der sanierten Zehntscheuer dokumentiert die Protestzüge und Massenerhebungen der Bauern. Im Mittelpunkt steht dabei die Böblinger Schlacht. Die Ausstellung würdigt die Bauernführer und ihre Strategien, beleuchtet Tatsachen und deren Hintergründe. Neben der Dokumentation von Kampf und Niederlage wird auch der bäuerliche Alltag näher beschrieben.
Die Bauern waren die Lastesel und Arbeitstiere der mittelalterlichen Feudalgesellschaft, hatten selbst keinerlei Rechte und meist ebenso wenig zu beißen. Die kleinen Äckerle in der Region sind ein Erbe dieser lange zurückliegenden Zeit. Weil jeder Sohn einer Familie denselben Anteil Land erbte, blieb für den Einzelnen kaum noch etwas übrig. Die sogenannte Realteilung verwandelte das Land in eine Ansammlung von Kleinstbauernhöfen, die ihre Bewohner auch ohne Steuern kaum ernähren konnten.
Das Museum dokumentiert den Bauernkrieg unter anderem mit einer eindrucksvollen Inszenierung. Auf blutrotem Grund kämpfen die Bauern mit ihren Spießen und Hacken gegen die mächtige Eisenfront der geharnischten Reiter des Bauernsiegers, Georg III. Truchseß von Waldburg. Ausgewählte Waffen der Zeit, Harnische und Hellebarden, Schwerter und Dolche, frühe Feuerwaffen und bäuerliche Stangenwaffen zeigen die Grausamkeit des Kampfes zwischen dem gemeinen Mann und der Obrigkeit. Zusätzlich wurde die Böblinger Schlacht auf einer sechs Quadratmeter großen Fläche durch ein Zinnfigurendiorama detailgenau rekonstruiert.
Ein weiterer Museumsbereich thematisiert die Vorgeschichte des Bauernkrieges. Anhand von originalen Holzschnitten, Flugblättern, Frühdrucken und großformatigen Bildreproduktionen, wie zum Beispiel einem "Ständebaum"von dem "Petrarcameister" genannten unbekannten Augsburger Holzschnittzeichner, wird der Besucher in die Umbruchzeit eingeführt, in der sich Mittelalter und Neuzeit gegenüberstanden.
Das Bauernkriegsmuseum rückt nicht die Sieger in den Vordergrund, sondern die Besiegten. Das Museumsgebäude, die sanierte und mit einem Anbau versehene ehemalige Böblinger Zehntscheuer, erinnert als steinernes Zeugnis selbst an den grausamen alltäglichen Druck, der auf den Bauern und ihren Familien lastete. Der Zehnte war die Naturalabgabe, die an die jeweiligen Herrscher – Adelsherr oder Kloster und Kirche – geleistet werden musste. Ausgewählte Arbeitsgeräte zeugen im Ausstellungsbereich "Bäuerliche Lebenswelt" davon, wie hart das Leben damals war.
Der Krieg der Bauern fiel mit einer Erfindung zusammen, die das Vorgehen unterstützte: Die Erfindung des Buchdrucks einige Jahrzehnte zuvor. Flugblätter und andere Schriften ließen sich so schnell vervielfältigen und verbreiten. Der Holzschnitt, den Künstler wie Albrecht Dürer für sich entdeckt hatten, war ein ebenso probates Mittel mit schnell gedruckten Bildern und Aufrufen an die Öffentlichkeit zu gehen und die eigenen Ansichten zu verbreiten. Auf einer funktionsfähigen Nachbildung einer frühen Druckerpresse können die Besucher des Museums Titelblätter von Flugschriften der Reformation und des Bauernkriegs nachdrucken.
Das Böblinger Bauernkriegsmuseum möchte nicht zuletzt ins Bewusstsein rücken, dass es auch in der deutschen Geschichte längst vor Errichtung unseres demokratischen Staates freiheitliche Ansätze gegeben hat. Wechselausstellungen und besondere Museumsaktivitäten (Vorträge, Kolloquien, Matineen, Familientage und andere) tragen dazu bei, dass das Museum zu einem lebendigen Forum der Geschichte und Gegenwart wird. Zu den Sonderausstellungen erscheinen die "Böblinger Museumsschriften".