"Der Rote Faden", so nennt sich eine Bildungsinitiative aus Kernen im Remstal, die im bundesweiten Wettbewerb "Ideen für die Bildungsrepublik" ausgezeichnet wurde. Seit 2008 begleitet die Bürgerinitiative Familien, um deren Kindern einen erfolgreichen Bildungsweg zu ermöglichen. Aus rund 1.000 bundesweiten Bildungsprojekten hat eine unabhängige Expertenjury die Gemeinde aus der Region Stuttgart ausgewählt, weil sie sich in herausragender Weise für die allgemeine Bildung und Reifung von Kindern und Jugendlichen stark macht.
Der Auslöser dafür war das neue Leitbild, das die Gemeinde Kernen im Remstal 2006 gemeinsam mit der Bürgerschaft entwickelt hatte. "Aus dem Wunsch sich mehr einzubringen und bereits bestehende Hilfen wie die Azubipaten auszubauen, entstand die Idee der Bildungsinitiative", erzählt Volker Reissig, der das Projekt damals mit Werner Artmann angeschoben hat und noch heute betreut. Seitdem zieht sich die Unterstützung von Kindern und Familien wie der sprichwörtliche rote Faden durch alle Stationen des Erwachsenwerdens. "So ein persönlicher Ratgeber wie mein Pate ist ein Geschenk", sagt eine der Jugendlichen, die dabei begleitet werden.
Derzeit werden rund 200 Familien ob mit oder ohne Migrationshintergrund von der Geburt der Kinder bis hin zum Übergang der Jugendlichen in die Arbeitswelt betreut. So hat sich nicht allein eine durchgängige Hilfestellung etabliert. Der Rote Faden verbindet zudem ehrenamtliches und hauptberufliches Bildungsengagement direkt vor Ort. Hebammen und Tagesmütter wurden mit ihren Angeboten in den Ort geholt. Nach der Geburt informieren geschulte Familienbesucher über die lokalen Unterstützungsangebote für die Jüngsten. Ein Babytreff schließt die Betreuungslücke zwischen Geburt und Kindertagesstätte. 65 Ehrenamtliche engagieren sich, während eine Verbindungsstelle der Gemeinde die zentrale Schnittstelle des Fördernetzwerks ist.
Oft genügen bereits kleine Veränderungen, damit sich etwas tut. "Wir mussten erst einmal Vertrauen aufbauen und dann geht es zum Beispiel darum, überhaupt Voraussetzungen zum Lernen zu schaffen", berichtet Reissig von den Erfahrungen, "sei es, dass der Fernseher nicht den ganzen Tag läuft. Und manchmal genügte schon ein wenig Unterstützung bei der Alltagsbewältigung."
In den Familien kümmern sich Paten um die Sprachentwicklung der Kinder. Nach der Einschulung werden Kinder mit besonderem Förderbedarf durch ein dichtes Netzwerk von freiwilligen Lernbegleitern beim Erwerb von Grundkompetenzen wie Sprache und Rechnen unterstützt. Dabei helfen auch Schüler ihren Mitschülern. Wenn es dann auf den Schulabschluss zugeht, helfen Azubipaten bei der Berufsorientierung. Dem Netzwerk, das der Rote Faden mittlerweile aufgebaut hat, gehören rund 60 regionalen Betriebe an. Sie bieten Lehrern und Schülern eine Datenbank mit allen verfügbaren Praktikums- und Ausbildungsmöglichkeiten. Die Azubipaten begleiten die Jugendlichen bei eintägigen Betriebserkundungen.
"Unser Ziel ist es, dass Kinder und Jugendliche in Kernen die deutsche Sprache beherrschen, eine stabile emotionale, gesunde und soziale Entwicklung erfahren, Kindergarten und Schule mit Gewinn besuchen und im Beruf einen sicheren Platz finden", so fasst Reissig zusammen. So verwundert es nicht, dasss Der Rote Faden zu den besten Vorbildern aus der Praxis gezählt wird, sei es beim Landesportal Ehrenamt Baden-Württemberg oder aus Sicht der Bertelsmann-Stiftung. "Das Fördernetzwerk Der Rote Faden ist in dieser Form wohl einmalig in Deutschland", sagt Reissig. Wer weiß, vielleicht finden sich bald jede Menge Nachahmer in der Region – zu wünschen wäre es.