Computer im Anflug

Am Institut für Raumfahrtsysteme (IRS) schrauben die Studierenden noch an dem Kleinsatelliten Flying Laptop

© Benjamin Klakow
Der Start ist für nächstes Jahr geplant (Foto: Uni Stuttgart)

Von außen ist es ein unspektakulärer Kasten, dessen Rechenleistung kaum die eines Smartphones übersteigt. Aber das Ding ist flugtauglich, hält der aggressiven Weltraumstrahlung stand und kann mehr als ein Handy. Flying Laptop heißt das Wunderding, das an der Universität Stuttgart am Institut für Raumfahrtsysteme (IRS) entstanden ist. Der Kleinsatelliten mit drei Kameras an Bord macht Fotos, mit denen beispielsweise die Veränderung von Vegetation oder Schiffsrouten nachvollzogen werden können. In dem Computer, der kaum größer als ein Schuhkarton ist, stecken rund sieben Millionen Euro. Der ganze Satellit umfasst etwa einen Kubikmeter.

Einen Satelliten zu bauen, ist kein billiges Vergnügen. Doch die Finanzierung konnten die Wissenschaftler clever lösen. "Es hilft uns, dass Hersteller für Spezialteile, die bei Weltraummissionen eingesetzt werden, diese erst auf ihre Tauglichkeit prüfen müssen", erzählt Professor Jens Eickhoff, der das Projekt an der Universität Stuttgart betreut. Erst wenn solche Raumfahrtkomponenten eine Qualifikation im Weltall vorweisen können, werden sie von Raumfahrtagenturen für professionelle Missionen zugelassen. Den Unternehmen ist also viel daran gelegen, ihre Geräte im Weltraum mit Hilfe einer derartigen Technologiemission zu qualifizieren.

Per Anhalter in die Galaxis

Zusätzlich hat das DLR-Raumfahrtmanagement eine Unterstützung von 800.000 Euro zugesagt für den Start des Systems zugesagt. Es wird noch etwas dauern bis das erste Resultat des Stuttgarter Kleinsatellitenprogramms in die Luft gehen wird. Noch steht er nicht in den Startlöchern, aber Anfang 2014 soll es soweit sein. Dann geht es – salopp gesagt – per Anhalter in die Galaxis. Denn die Macher des Flying Laptop sind auf eine Mitfluggelegenheit angewiesen. Eine Sojus-Rakete, die vom russischen Baikonur aus einen Wettersatellit ins All befördern wir, soll den entfernten Verwandten aus Stuttgart huckepack mitnehmen. "In rund 500 Kilometern Höhe wird unser Satellit dann im vorgesehenen Orbit ausgesetzt", erläutert Eickhoff, "um dann für voraussichtlich zwei Jahre seinen Dienst zu versehen."

Mit dem Flying Laptop sind Luftaufnahmen von jedem Ort der Welt möglich. Das wäre an sich nichts Besonderes. Durch "Target Pointing" kann der Stuttgarter Satellitenrechner jedoch einzelne Punkte fixieren, seien es Gebäude oder ein Landschaftsauschnitt, egal wo auf der Welt und liefert so detaillierte Informationen.

Dokumentation aus der Luft

Damit lässt sich im Dienst der Wissenschaft vieles dokumentieren, etwa Veränderungen der Vegetation, Schiffsrouten nachzeichnen oder Schiffe orten – die Möglichkeiten sind vielfältig. Das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt als einer der Geldgeber wird den Satelliten nutzen. "Darüber hinaus können andere Universitäten Anträge stellen, wenn sie bestimmte Aufnahmen benötigen", erläutert Eickhoff. "Abhängig vom Speicherplatz und der Flugroute liefern wir dann die Bilder."

Mehr als 50 Studierende waren an der Entwicklung und dem Bau des Kleinsatelliten mit Rechner an Bord beteiligt. Der Flying Laptop gehört nicht nur zu den leistungsfähigsten seiner Art, die derzeit verfügbar sind. Das langfristige Projekt bietet Studierenden faszinierende Chancen, zu forschen und zu entwickeln. Regelmäßig gehen daraus Doktor- Bachelor- und Studienarbeiten hervor. "Mittlerweile haben wir die dritte Generation an Studierenden, die sich hier unter realen Bedingungen einbringen", berichtet Eickhoff. Rund 20 Doktoren verdanken bereits ihren Titel der Mitarbeit am Flying Laptop.

Weltraumschrott – nein danke

Die komplexen Geräte entstehen in Reinräumen in einer speziell feinstabgefilterten und feuchtigkeitskontrollierten Atmosphäre, damit keine Partikel die Linsen oder Kontakte der Elektronik verschmutzen können. Im Reinraum bei Montage und bei Testarbeiten müssen die Wissenschaftler Haarnetze, Mäntel, Gummihandschuhe und spezielle Schuhe tragen, die sich nicht elektrostatisch aufladen können.

Nach zwei bis drei Jahren wird der Flying Laptop in Rente geschickt. Als Nachfolger sollen bis 2030 vier weitere Trabanten ins All geschickt werden. Damit der Himmel sauber bleibt, entfaltet sich zum Ende der Mission ein sogenannter "Deorbiting Mechanismus" , eine Art aufgespannter Schirm aus Kunststoffolie. Damit sinkt der Satellit nach dem Ende seiner Mission gemütlich an einem Fallschirm hängend in Richtung Erde, um dann sein relativ kurzes Leben auszuhauchen. Wenn er dann in die dichtere Atmosphäre eintritt, sorgt die Fluggeschwindigkeit dafür, dass er wie ein Meteorit verglüht. Aufgrund der extrem dünnen Luft benötigt der Minisatellit dafür rund 20 Jahre. "Das ist zwar eine lange Zeit, dafür bleibt er aber nicht als unkontrollierter Weltraumschrott "für immer" da oben", betont Eickhoff.

www.irs.uni-stuttgart.de/